Die äufseren Verhältnisse, welehe bey ihnen in Betracht
kommen, sind sehr sonderbar. Zwey angesehene,
durch Geburt, Aemter und Thaten ausgezeichnete
Bürger der mächtigsten Republik ihrer Zeit machen
die merkwürdigste Reise, die gröfsten Entdeckungen,
welche in der damaligen Zeit von ihrem Lande
aus gemacht worden sind. Einer von ihnen stirbt als
aftgesehener Mann im fernen Lande; der andere lebt
dort vierzehen Jahre und kehrt ruhmvoll dann in sein
Vaterland zurück. Beyde haben während ihrer Abwesenheit
Verbindung mit diesem unterhalten, und Briefe
dahin gesendet, Menschen von dort mit in das fremde
Land gebracht; und doch ist kein Wort von ihrem Unternehmen
verlautet, kein gleichzeitiger Schriftsteller,
kein Actenstück aus dieser Zeit gedenkt dieser Unternehmung,
die von einer Art war, auf welche damals
aller Augen und Erwartungen begierig sich richteten
— ein Steckenpferd der Zeitgenossen. Weit über Einhundert
Jahre modert das Geheimnifs der Unternehmung
in dem Schoose einer edeln ruhmbegierigen Familie,
und wird so wenig geachtet, dafs man die
Zeugnisse davon als ein unnützes Kinderspiel herum
wirft.
Einhundert und sechzig Jahre nach der Epoche der
Unternehmung erinnert sich der sorglose Urenkel
der Helden derselben, damals ein mehr als vierzigjähriger
Mann, dafs er als thörichtes Kind einen Schatz
vernichtet hat. Er sammelt die übrig gebliebenen armseligen
Bruchstücke davon, nebst einer zerrissenen und
von der Zeit verderbten Charte, die er selbst aufs
Neue zeichnet, und läfst sie der Welt vorlegen. Was
davon unversehrt,. leserlich, brauchbar gewesen, sind
nur wenige unzusammenhängende Blätter. Ob er aus
-seinem Gedächtnisse von der Kindheitszeit nachgehol.
fen , das erfährt man nicht. Welche Kennzeichen der
Aechtheit das Manuscript an sich getragen, selbst wie
der Herausgeber den ihm gewordenen Auftrag beweisen
kann, davon ist keine Rechenschaft gegeben. Der
Charakter und die Würde des Venetianischen Nobile
soll Alles decken, soll der historischen Kritik, dem gesunden
Menschenverstände Fesseln anlegen! dazu waren
wohl Venetianer abgerichtet, aber die Muse der
-Geschichte trägt solche Fesseln nicht.
Wir sind nicht die Ersten, die auf diese Bedenklichkeiten
gegen die Aechtheit der Zenischen Reiseberichte
aufmerksam machen. Tiraboschi (1) thut zwar,
als ob er die Reise nicht geradezu für erdichtet erklären
wolle, wie ihm Formaleoni wegen der schon in der
ersten Ausgabe seines Werkes aufgestellten Bedenklichkeiten
über einige in Zenos Erzählung vorkommenden
Umstände vorgeworfen; aber er giebt nichts desto-
weniger sein gänzliches Verwerfen ihrer Aechtheit auf
eine höchst beifsende Weise zu verstehen. Er hebt
z. B. als sehr bedenklich den Umstand heraus, dafs
das einzige Denkmal von der merkwürdigen Unternehmung
der von der Familie des Urhebers mit so geringer
Achtung und Sorgfalt aufbewahrte Bericht desselben
seyn solle. Zurla, um diesen Umstand als
unnachtheilig der Glaubwürdigkeit dieses Berichtes
darzustellen, führt an, dafs ein anderer auch sehr
merkwürdiger Bericht von der Gesandtschaft^ - Reise
des Caterino Zeno, eines andern Gliedes derselben Familie,
nach Persien im J. 1471 auch nicht gleich nach
vollbrachter Reise, sondern erst später von eben demselben
Nicolo Zeno herausgegeben worden sey, der die 1
l) Storia della Letteratura Italiana. 2tc Ausg. T . 5» P. I.
1. I. c. 5. p. 129. folg.