dafs dièse schon damals die niedrigste Ebbezeit zu ihren
Besuchen daselbst wählten. Es ist also hier in acht
bis neun Jahrhunderten ein bemerkbares Sinken des
Wasserstandes des nördlichen Océans nicht erfolgt; es
kann daher auch in anderen Gegenden desselben Meeres
nicht eingetreten seyn.
Wenn gleich einige Beyspiele, welche gegen ein
Sinken des Meei'es-Spiegels so bestimmt zeugen, auch
nur aus Einem Theile des Océans genommen, hinreichen
dürften, um das Hirngespinst einer solchen Erscheinung
in seiner Nichtigkeit darzustellen; so wollen
wir doch die Mühe nicht scheuen, die Nachrichten,
Welche die Ueberlieferung von angeblichen Veränderungen
im Wasserstande des Océans und der inneren
Meere, aus anderen Gegenden der Erdkugel aufbewahrt
hat, so weit sie uns bekannt worden sind, zusammen
zu stellen, und so viel wir vermögen zu prüfen.
Man hat gerade bey dieser Erscheinung die g eo l
o g i s c h e n Phän omen e, mit den hi s t o r i s c h e n
Tha t s a chen auf eine auffallende Weise vermengt
und verwechselt.
So wird von mehreren Schriftstellern wiederhohlt,
bey der Stadt T o n g e r n in den Ni ede r l anden
— dreyfsig Lieues vom Meere entfernt — finde man in
den Mauern derselben grofse eiserne Ringe angebracht,
welche dazu gedient hätten, Schilfe daran zu befestigen ;
zum sichern Beweise, dafs das Meer einst bis an diese
Mauern gestanden habe (i). Von dieser Gegend wis
f J * Ma jus. — * Thomas Hubert « Beschreib. V. Lüttich. —
Buff ou allgem. Naturgesch. teutsche Uebers. Th. 3. S. 105,
een wir nun zu wohl, dafs in der historischen Zeit dort
eine so grofse Alluvion, die dreyfsig Lieues Land ange-
setzt hätte, nicht statt gefunden hat. Wir wissen auch,
tl^f^ dort..seit Caesars Zeit, bis zu welcher ungefähr
unsere Kenntnifs von dieser Gegend reicht, das Meer
nicht um so viel gefallen ist. Was sollen wir daher
auf solche Mährchen geben? und welches Alter müfs-
ten die Mauern von Tong e rn haben, wenn die an
ihnen angeblich befestigten Ringe das beweisen sollten,
was man damit hat beweisen wollen ? Wir bedienen
uns des Wortes angeblich, weil vielleicht die ganze
Erzählung auf einem Irrthuine beruht. Hierauf führt
uns eine Stelle in Pontoppidau (1). Dieser sagt, in
den Moor en (Mor äs ten) um Tong e rn habe man
eiserne Ringe gefunden. Das ist ganz etwas Anderes und
deutet auf ganz etwas Anderes. Uns leitet es auf die
Vermuthung, dafs irgend ein der germanischen Sprachen
Unkundiger die Nachricht von dem was sich in
den Mooren gefunden hat, irrig übersetzt, und die
Moor e zu Mauern gemacht haben mag.
Es giebt noch einige Erzählungen von verändertem
Wasserstande in den Niede r l ande n , welchen
man aus dem Sinken des1 Meeres-Spiegels zu erklären
gesucht hat, und welche entweder ganz andere Ursachen
haben, oder selbst zweifelhaft sind. So soll im siebenten
Jahrhunderte die Meeresküste bey Mecl iein gewesen
seyli. Man will diefs aus dem Leben des Heiligen Rumold
beweisen (2), und der Nähme der Stadt soll Ebbe und 1 2
— D .M a n n , in Memoires de l ’Acad, de Bruxelles. T. j ,
p. 79. — T . Bergmann, Beschreib, d. Erdh. T. 2. §. 150.
1) Neuigkeit der W e lt, Teutsche Uebers. T. 1. S. 92.
2) D . IVIann a. a. O. p. 76* — * IVlalbrancq de Morinis T. 1,
p. 54. u. in Antiquit. p. 115.
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