In den Gebirgen haben die Gewässer den stärksten
Fall, da sie von sehr geneigten Flächen herabströmen,
oder wohl gar von senkrechten Flächen herabstürzen.
Dort ist die Wirkung ihres Einschneidens in
den Boden am heftigsten, und sie reifsen immerfort
Bestandtheile der Gebirge ab und schieben sie vor
sich her. Bey jedem Puncte an welchem ihr Fall sich
schnell vermindert, d. i. an welchem die Fläche von
welcher sie herkommen mit der Fläche in Welche sie
eintreten einen einspringenden Winkel macht, müssen
sie einen Tbeil des mit sich geführten Gerölles
und Sandes fallen lassen. Dadurch werden solche einspringenden
Winkel der Bodenflächen allmählich abgestumpft,
und der Lauf der Flüfse wird in seinen Neigungswinkeln
nach und nach ausgeglichen, und zwar
so dafs die steileren Abhänge allmählich sanfter, d, i.
weniger geneigt werden, und die Wirkung des Einschneidens
gleichförmiger erfolgt. Irrig ist daher,
wenn man glaubt, dafs die oberen Gebirge durch das
Abfliefsen der Gewässer immer steiler würden (1);
sie werden im Gegentheile immer sanfter abhängig.
Je mehr die Winkel, in welchen die verschiedenen
Ebenen, auf denen der Flufs im Gebirge läuft, an einander
stiefsen, abgestumpft werden, und jemehr der
Fall des Flufses sich ausgleicht, desto weniger kann
das Absetzen von Gerolle und Sand im Gebirge selbst
statt finden. Dieses Absetzen mufs daher dort stufenweise
abnehmen, und wenn man annehmen dürfte,
dafs ein Flufs seine Bahn im Gebirge völlig ausgeglichen
hätte, d. i. dafs die Fläche auf der er dort läuft
in gerader Neigung ohne alle Winkel bis in die Ebene
fortgienge, so würde er auf diesem Laufe immerfort
i) Göttingische Anzeigen. 1820. Nr. 48.
gleichförmig einschneiden und wegführen bis zur
Ebene, wenn nicht dann der Umstand einträte, dafs
die durch das Einschneiden lofsgerissenen festen Bestandtheile
oft die verminderte Kraft des mit geringem
Falle fliefsenden Wassers überwinden, . es dämmen,
und den Flufs zum Austreten über seine Ufer nöthigen,
wo er dann entweder sich verästet und neue Rinne»
sucht auch wohl selbst eingräbt, oder Seen bildet.
Es wird daher, hat der Flufs die Ebene oder eine
sehr wenig geneigte Fläche erreicht, auf diese die Wirkung
des Einschneidens mit der Wirkung des Sehlamm-
absetzens in stetem Kampfe seyn. Die Erfahrung lehrt
aber, dafs selbst bey den gröfsten Strömen, von dem
Puncte an wo der Fall ganz oder beynahe auf hört, die
Wirkung des Einschneidens von der des Absetzens überwältigt
wird, denn alle grofsen Flüsse erhöhen da, wo
sie in der Ebene fliefsen, ihre Betten durch Absetzen
von Sand und Schlamm, verstopfen zum Theil ihren
Lauf und ihre Mündungen, und bringen nur die feinsten
im Wasser schwimmenden oder auflöslichen T. heil-
chen bis ans Ende ihres Laufs ms Meer, wo diese auf
dessen Boden niederfallen und auch diesen allmählich
erhöhen.
Dieses ist der allgemeine Hergang bey dieser Erscheinung.
Oertliche Verhältnisse können sie im Einzelnen
abändernd gestalten. Das Dgseyn von Vegetation
und Cultur in den Gegenden, die den Strömen
ihre aus der Atmosphäre genommene Flüssigkeit zusenden
, können auf die Art wie sie sieh zeigt Einflufs
haben, und zwar auf verschiedene Weise, So kann Bewaldung,
Strauch- und Haidewuchs in einer Gegend
das Abschwemmen der festen Bestandtheile vermindern,
da sie den Boden festigen; Ackercultur hingegen
auf Anhöhen und Bergen, welche die durch Buschwerk