des Alterthums widersprechende Vermuthung. Fordert
man vielleicht, weil wir versuchte Erklärungen von der
Erscheinung an den Säulen von P o z z u o l o verwerfen,
von uns, dafs wir sie selbst genügender erklären; so
schämen wir uns nicht, zu gestehen, dafs wir dieses
nicht vermögen. Aber wir bitten, wohl zu beachten,
dafs die Erscheinung, wenn sie sich wirklich so verhält,
wie sie angegeben wird und wenn sie wirklich
ganz ein Werk der Natur ist, zwar allenfalls für eine
Abwechselung im Steigen und Fallen des Meeres- Spiegels
zeugen würde, aber nicht für das von Celsius angenommene
fortschreitende Fallen desselben allein,
Indessen möchten wir vor allen Dingen, und bevor
wir diese einzeln stehende Erscheinung zu einem
Schlüsse auf irgend ein physisches Ereignifs benutzen,
sie selbst nach allen Umständen vollständig consta tirt
wissen. Es ist dabey Verschiedenes zu beobachten ; es
sind einige Vorfragen dabey nothwendig zu beantworten;
z. B. i) Sind die Höhlungen welche man in einem
Theile der Säulen wahrnimmt, entschieden für Phola-
denlöcher anzunehmen ? ö) Ist es ausser Zweifel, dafs
sie erst gebohrt worden sind, als die Säulen bereits an
dem Tempel standen? 3) Können nicht vielmehr Felsblöcke
von einer Küste zu diesen Säulen genommen
worden seyn, welche schon vorher von Pholaden angebohrt
waren, als sie noch in ihrer natürlichen Lagerstätte
ruheten; wie man noch jetzt nicht nur an Küsten
sondern auch in Gebirgen, welche fossile Reste von
Meergeschöpfen enthalten, findet? 4) Können nicht
schon bey Bearbeitung dieser Blöcke solche so gewählt
und gestellt worden seyn, dafs man, um des gleichförmigen
und symmetrischen Ansehens willen , den porösen
Theil derselben zum untern, den glatten aber zum
obern Theil der Säulen verwendet hat ? in welchem
Falle dann die ganze Merkwürdigkeit der Erscheinung
Wegfallen würde. Hat man genügende Antworten
auf diese Fragen erhalten, dann mag man in der Naturkunde
und der Geschichte nach Erklärung der Erscheinung
selbst forschen, wenn sie alsdann noch nöthig
seyn wird.
Ausser den nurerwähnten eben nicht bedeutenden
Thatsachen, welche von Einigen als Beweise der Wasser
Verminderung im Mi t t e l l ä n d i s c h e n Me e r e
angeführt werden, sind uns keine von diesem Meere
vorgekommen. Absichtlich verweilen wir nicht bey
der Erscheinung welche nur ein Vorrücken des Landes,
durch Alluvion zeigt, und welche nur aus Irrthum
dann und wann als Beyspiel der Wasser-Vermindernng
aufgestellt worden ist. Unser viertes Hauptstück führt
dieseBeyspiele mit allen dazu gehörenden Umständen auf.
Man hat indessen in Ueberlieferungen hie und da
die Spur eines ehemaligen Zusammenhanges zwischen
dem S c hw a r z e n und dem B a l t i s c h en Me e r e
durch Ru s s l a n d zu finden vermeynt; und das ehemalige
Bestehen einer solchen Verbindung nicht für unwahrscheinlich
gehalten, weil das Innere Russ l a n d s ,
die Wasserscheide zwischen den in das S c hw a r z e
Me e r und den in das B a l t i s c h e sich ergießenden
Flüssen, allerdings eine verhältnifsmäfsig gegen andere
ähnliche Wasserscheiden nur geringe Höhe über der
Meeresfläche hat. Alles aber was man über diese —
als geologische Thatsache aus der Urzeit wohl nicht in
Zweifel zu ziehende Verbindung — beybringt, um sie
zu einer Erscheinung der historischen Zeit zu machen,
ist schwach und ungenügend. Wenn einige Alten noch
an das Bestehen einer solchen geglaubt haben, so rührte
das unfehlbar daher weil sie das Innere Rus s l a n d s
gar nicht kannten, und von dem gröfseren Umfange,