sch ich fliehen Beweisen darzuthun oder wegzuläugnen
istBeydes sehr schwer, eigentlich in jetziger Zeit unmöglich'.
Man kennt bis jetzt einen grofsen Theil der Erdoberfläche
um beyde Pole noch gar nicht; selbst grofse
Strecken in anderen Gegenden des Weltmeeres noch
nicht; und doch müfste man das Ganze schon wenigstens
seit mehreren Jahrhunderten kennen, und das Ver-
hältnifs desselben zum Lande in verschiedenen Zeiten
beobachtet, ja berechnet haben, wenn man sich ein
Urtheil über allgemeine Veränderung dieses Verhältnisses
erlauben wollte. Oertliche Erscheinungen davon
deuten nur auf örtliche Ursachen und auf beziehungsweise
statt findende Veränderungen in demselben, und
Schlüsse von solchen auf das Allgemeine arten leicht in
Träumereyen aus.
Nichts desto weniger hat die Frage: ob das Ver-
hältnifs zwischen Land und Meer wirklich allgemeine
Veränderung erlitten habe? die Frage, ob eine allgemeine
Abnahme oder eine allgemeine Zunahme des
Meeres statt finde? die Naturforscher ernstlich beschäftigt,
und sie haben sich abgemiihet, sowohl natürliche
Gründe, als geschichtliche Beweise, von örtlichen Erscheinungen
hergenommen, für die eine wie für die
andere Behauptung zusammen zu stellen.
Bey den Alten finden wir schon Spuren davon,
dafs sie sich mit dieser Frage beschäftigt haben, denn
Ar i s t o t e l e s (1) streitet gegen den Satz, dafs das
Meer abnehme, und hält dafür, dafs es auf einer
Seite von dem Lande wieder gewinne, was es auf
der andern an dasselbe verliere. Genauere Untersuchungen
über diesen Satz finden wir aber bey den Alten
nicht, sondern sie gedenken nur örtlicher Verani)
IV£e te o r o l og. L. i. c. 14.
tlerungen in dem Verhältnisse zwischen Land und
Meer; selbst da, wo sie durch Zusammenstellung meh-
|-erer derselben eine mehr allgemeine Ansicht zu begründen
scheinen, wie Ovid in der bekannten Stelle
MletamorpJi. L. 15. V. 287- folgg. Ehe wir daher diese
besonders seit dem zweyten Drittel des lßten Jahrhunderts
lebhaft erörterten Fragen näher beleuchten, gehen
wir die Thatsachen durch, welche örtliche Veränderungen
jenes Verhältnisses anzeigen, und werden
nach Zusammenstellung dieser Thatsachen auch Gelegenheit
finden, zu prüfen, inwiefern sie zu Schlüssen
Suf die Veränderlichkeit des oftgedachten Verhältnif-
kes im Allgemeinen berechtigen.
Von Veränderungen in dem Verhältnisse zwischen
Land und Meer, welche einzelne Theile der Erdoberfläche
erlitten haben, d. i. welche örtlich sind, liefert
die Geschichte Beyspiele in Menge. Wir führen sie
hier auf nach Verschiedenheit der Er s c h e in u n g e n ,
kn denen sie erkannt werden, und der Ur s a c h e n ,
durch welche sie, entweder nach zuverläfsigen Nachfichten,
oder muthmafslicher Weise hervorgebracht
•worden sind. Die E r s c h e in u n g e n sind entweder
eine Vergröfserung der Meeresfläche durch Ums i ch g
rei f en des Wa s s e r s , oder ein Vo r r ü c k e n des
Landes. Die erstere zeigt eine scheinbare Vermehrung
des Wassers, die letztere eine scheinbare Verminderung
desselben oder Vergröfserung des Landes.