354 IV. HAUPTST. LANDES- VERGROSS.
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der Benennung Te s s e l s t rom wieder zu erkennen(i).
Die Mündung des östlichen Rheinarmes in den Ocean
wird zwar von den Römischen Schriftstellern erwähnt,
doch theils ohne Nahmen, theils als Flevum ostium
Rheni, theils als eine Rheinmündung überhaupt. Me*
la (2) erwähnt ihrer auf die letztere Weise, Plinius (3)
als Flevum ostium, Tacitus (4) deutet nur an, dafs hier
eine Mündung sey; Ptolemäern (5) nennt sie Rhenum
orientalem. Eigentlich nimmt man an, dafs diese
Mündung sich zwischen den Inseln Vl i e l and und
T e r Sche l l i n g befunden habe, und dafs die Mündungen
zu beyden Seiten der sonst mit Nordhol l and
und mit Vl i e l and verbunden gewesenen jetzigen Insel
T e x e l erst später vom Ocean gebrochen worden
seyen (6). Wenn sich daher auch im Norden des Fle-
v o - See s ein Te s s e l s t r om befunden haben soll, so
müfste man annehmen, dafs es zwey Ausflüsse aus diesem
See gegeben habe, einen Tess e l s t röm und eijißn
Vl i e s t r om (F levus) , und dafs diese sich in älterer
Zeit, ehe ein Durchbruch am Tex e l erfolgte, vor ihrem
Ausflufse in den Ocean wieder vereinigt haben müfs-
ten. Bey dem (sogleich näher zu beschreibenden) grossen
Einbrüche der Nordsee bahnte sich der Flufs (Fl e vu
s ) , der zuvor seinen Lauf dort hatte, wo jetzt
’t Ou d e -V l i e ist, seinen Weg von We s t-Wor cum
(einem Orte, den das Meer verschlungen hat) gerade
nach Norden, wodurch sich die Sandbank Br e ezan t
— ein Ueberrest des ehemaligen Landes — insularisch
formte, flofs zwischen Schi e r i n g sha l s und Lan-
g e r z ant gegen die Rüste von V l i e l a n d , und von da
l) Alting P. I. S. 115 u. XI6. 2) A. a. O. X .3 . c. 2.
3) H. N. L . 4, c. 29. 4) Annal. L . 2. c. 8-
5) Geogr. L . 2. c. i l . 6) Alting, P. I. p. 64.
rhe in - Mündungen . 355
nach seiner alten Mündung und durch dieselbe in den
Ocean. Diese alte Mündung ist nur jetzt 6ehr erweitert
(1), und von Vl i e l and selbst hat das Meer grofse
Stücke, unter anderen das ganze Dorf We s t -V l i e land
abgerissen (2).
Der Einbruch, oder vielmehr die wiederhohlten
Einbrüche des Oceans, welche den ehemaligen Landsee
in einen Meerbusen verwandelten, erfolgten vollständig
erst zu Ende des dreyzehenten Jahrhunderts; nachdem
mehrere einzelne aber schon beträchtliche Zerstörungen
auf demselben Wege zu Anfänge desselben Jahrhunderts
vorausgegangen waren. Alting (3) giebt davon folgende
näheren Nachrichten, die er aus handschriftlichen
von den der Begebenheit gleichzeitigen Aebten von
W o r c u m, Emo und Mancot niedergeschriebenen Mittheilungen
entlehnt hat. Im Jahr 1205 war sicheren
Zeugnissen zufolge die Insel Wi e r in g en noch nicht
vom festen Lande abgesondert. In den Jahren 12x9 im
Januar, 1220 zu drey verschiedenen Malen, 1221 im Januar
und September, 1246 im October, 1249 im December
und 1251 erfolgten grofse Ueberfluthungen von
Norden her, durch welche zuerst der Meerbusen nördlich
vom Flevus - S e e hervorgebracht, die Insel Wi e r
ingen durch Abreifsung vom Lande gebildet, und
der gröfsere Durchbruch des noch übrig gebliebenen
Isthmus voib-,reitet wurde, welcher das damalige
Fr i e s l a n d (jetzt Nordhol l and) mit der Grafschaft
Staveren (im jetzigen We s t f r i e s l an d ) verband,
und nur durch den nicht sehr breiten Ausflufs (wenn
es nur Einer war) der mit dem Rh e in vereinigten
1) Alting a. a. Ö.
2) Biisching a. a. O. S. 121 u. 123.
3) A. a. O. P. I. pag. 57 u. 58* p- lL Pag* 84*
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