den seyn müsse. Dafs sich dieses aber in der That
nicht so findet, hat diejenigen, welche ohne richtige
physische Begriffe die Erklärung der alten Tradition
unternommen haben, verleitet, die ganze Thatsache
zu bezweifeln, wie unter Anderen einer der neuesten
Erläuterer des JHerodot, Lar eher gethan hat(x), dem
sogar die so einfache Beobachtung entgegangen zu seyn
scheint, dafs der Flufs nicht blofs seine Ufer, sondern
auch den Boden seines Bettes durch Absetzen von Land
und Schlamm erhöhet; so dafs er auf einer sich immer
erhöhenden Fläche fortströmt, und dadurch sein Höhen-
Verhältnifs zu den zugleich mit erhöheten nächsten
Ufergegenden dasselbe bleibt, oder doch wenigstens
nicht sehr verändert wird. Zu diesem Hauptumstande
kommt noch, dafs, wie wir oben gezeigt haben, das
Verhältnifs, in welchem die Sand absetzenden Flüsse
ihre Betten und Ufer erhöhen, nicht immer gleich fortschreitet,
sondern dafs es bis zu einem gewissen Zeit-
puncte steigen, von solchem an aber wieder fallen
xnufs.
Dafs die Erhöhung des Bodens durch den t Nilschlamm
jetzt noch lange nicht soviel beträgt, als
jene rohe Berechnung glauben machen w ill, haben die
neuen allem Anscheine nach sorgfältigen Beobachtungen
der Franzosen gezeigt. Nach diesen beträgt in Einem
Jahrhunderte diese Erhöhung im Durchschnitte
nur 0,126 Meter (2), also noch nicht vier Zolle oder
noch nicht den sechsten Theil von dem was Larcher
und andere Ausleger annehmen. Folglich würde, wenn
l ) Larcher Hist. d’Herodote1, 2de edit. T. 2. Note 13,
* Girant sur la vallée d’Egypte et sur l'exhaussement
séculaire du sol qui la récouvre, in der dritten Lieferung
der grofsen Description de l’iigypte.
diese Zunahme* * *4 auch wirklich früher etwas gröfser gewesenwäre,
die Erhöhung des Aegyptischen Bodens von
Jierodot's Zeit an bis zur unsrigen nicht 22 Ellen sondern
8 bis höchstens 10 Fufs betragen, und dabey wurde
das Flufsbett doch zugleich mit erhöhet, und vielleicht
in keinem geringem Verhältnisse. Denn, wenn man
auch annimmt, dafs der Boden dieses Bettes durch das
immer fortdauernde Darüberströmen des Flusses auch
in derZeit, wo er seinen niedrigsten Wasserstand hat
und (wie bekannt) fast völlig klar und rein von Erd-
theilen ist, wieder etwas von dem hineingeführten
Sande verliert; so wird dagegen bey den Ueberschwem-
mungen gerade der gröbste Sand als die schwerere
Masse blofs in diesem Bette abgesetzt, und nur der
feinere Schlamm, der sich länger schwimmend erhält,
wird auf den Ufern und in den entfernteren Gegenden
vertheilt, und bildet sicher eine dünnere Schicht, als
jener gröbere Sand.
Diese Erhöhung des Flufsbettes ist übrigens bewährte
Thatsache. Der N il fliefst jetzt auf einer so
sehr erhöheten Fläche, dafs manche der von ihm entfernter
liegenden Gegenden auf seinen beyden Ufern
tiefer liegen als diese Ufer selbst, und das Wasser der
Ueberschwemmung länger über ihnen stehen bleibt als
über den ersteren (1).
Man mag daher die Sache selbst, die Herodot sowohl
auf Tradition als auf physische Gründe gestützt,
erzählt, ohne Bedenken als naturgemäfs und richtig annehmen;
aber die Maase die er zugleich angiebt, sowohl
die des Raumes als die der verflossenen Zeit,
ebenfalls als wahr annehmen, das brauchen wir nicht,
l ) * Girard a. a. O . — * Reynier in den Mém. sur l ’Egypt.
4. ». 22.