streckt. Wenn diese Schicht durch Strömungen so eben
in Bewegung gesetzt worden ist, so kömmt sie zuweilen
bis an die Oberfläche des Meeres, und erschreckt
die Seefahrer, die unerwartet Untiefen in Gegenden
zu finden glauben, wo ihnen die Seecharten beträchtliche
Tiefen versprechen (1). Derselbe Reisende sah bey
dem höchsten Stande des angeschwollenen Nil den
Schlamm weit auf der Oberfläche des Meeres vor der
Kanopischen Mündung verbreitet, und bemerkte, daf»
das Wasser dann weit ins Meer hinaus den süfsen
Geschmack behält (2). ’
Eine Menge von Beyspielen, welche sogleich angeführt
werden sollen, werden dieselbe Erscheinung bey
den meisten anderen, besonders den gröfseren sich in
die verschiedenen Meere ergiefsenden Flüssen an den
Tag legen. Aber gerade am Nil hat die Beobachtung
derselben um deswillen so viel Wichtiges und Merkwürdiges,
weil uns bey keinem der anderen Ströme
vergönnt ist, seine Geschichte bis in ein so hohes Alterthum
zu verfolgen wie bey diesem. An seinen Ufern
wird uns zuerst der Schauplatz der auf uns gekommenen
Ueb erlief er ungen einer dunkeln Vorwelt eröffnet,
und es hat einen grofsen Werth für uns, lange Zeiträume
bey Beobachtungen von Erscheinungen, die nur in
langeji Zeiträumen sichtbar werden, hier wirklich
durchlaufen zu können. Die Veränderungen die der
Strom in dem Lande hervorbringt, beschränken sich
auch nicht allein auf, dieses Anhäufen des Sandes an
seiner Mündung; [sondern man nimmt auch hie und
da wahr: wie der Strom die Erde gewinnt welche er 1
1) Clarke Travels 4. ed. Vol. 5> 26-
2) Ebend. S. 324.
dahin führt. Das Abschwemmen der festen Theile aus
den hohen Gebirgen, welches alle seine Quellen und
kleinen Zuflüsse bewirken, ist zwar unmerklich, und
die Veränderungen, welche dadurch hervorgebracht
werden, sind kein Gegenstand historischer Nachrichten;
aber ein anderer der nähmlichen Art ist es: die Veränderungen
des Punctes an welchem der in Einem Bette
fliefsende Nil sich in Arme theilt, der Spi t z e des
Delta. Dieser Punct befand sich zu Herodot's Zeit
bey Memphi s , wo der Nil sich in zwey Arme theil-
te. Jetzt spaltet er sich unterhalb Ka h i r a , welche
Stadt erst in späterer Zeit und eine gute Strecke unterhalb
des alten Memphis.angelegt worden ist. Auch
diese Erscheinung ist einfach und leicht zu erklären.
Als der N i l sich noch ungetheilt in das Meer ergofs,
bildete sich vor seiner Mündung eine Sandbank, die
sich allmählich zur Insel erhöhete und der Anfang des
Del ta war. Der Flufs traf sie anfangs mit keiner bedeutenden^
Heftigkeit, da er sich an der Mündung sogleich
in dem ihn aufnehmenden Meere verbreitete.
Sobald 6ich aber die Insel dergestalt vergröfsert, und
der Meeresboden zu ihren beyden Seiten so weit erhöhet
hatte, dafs wirkliche Flufsbetten sie einzuscliliefsen
anfiengen, mufste auch der gerade auf ihre Spitze sto-
fsende in seinem weiteren Fortströmen beengte Strom
anfangen, an dieser Spitze zu nagen, und allmählich
wieder seinen eigenen Bau zerstören. Besonders mufs
diese Wirkung dann eingetreten seyn, als diese Insel,
die sonst noch einen mittlern Arm durch sich hindurch
liefs—- folglich zwey Inseln bildete — zu einer einzigen
zusammen wuchs, indem der mittlere Arm sein Bett
mit Sand erfüllt hatte und kein Wasser mehr aufnahm.
So zeigt sich die Erscheinung auch wirklich. Von der
Spitze wird immer mehr weggenommen, und die