IV. HAUPTSTÜCK.
den Schlufs ziehen, dafs dieses Land ehemals eine
solche verstümmelte Gestalt gehabt habe, wie diese
Charten sie zeigen. Wir dürfen zwar auf die Kenntnisse
der Alten aber nicht auf ihre Unwissenheit historisch
geographische Sätze gründen.
Plinius (x) giebt fast noch weniger über diese Gegenden.
Seine Bal t ia (des Pytheas B asi l ia) , sein
Baunoni s che s Scyt h i a , seine Vorgebirge Ru b e a s
und Cr on ium, wie die Ripha e isehen Gebirge
sind dunkle Gegenstände, die wohl für immer der
Beleuchtung entbehren werden. Des S inus Codanus
und der Insel S c andino v i a erwähnt er ungefähr
auf dieselbe Weise wie Mela, sagt aber von
S c and ino v i a ausdrücklich, dafs sie incompertae
magnitudinis sey. Wer die Gröfse einer Insel nicht
kennt, der weis auch nicht ob das Land welches er
bezeichnet, eine Insel ist. Dafs er seine E n in g i a
oder F in n in g i a selbst nicht für eine Insel hält, geht
daraus hervor, dafs er ihre Bewohner bis an die
We i chs e l nahmhaft auflührt. Ein Land das an die
We i c h s e l stöfst, kann doch nicht für eine Insel im
Meere gelten. Th u l e , Seandia, Dumna , Ber-
gos , Ne r i g on , welche Plinius als eben so viele Inseln
bezeichnet, waren ohne Zweifel sämmtlich Theile
von Schwed e n und No rwe g en , welche die Römer
bey der zerrissenen Beschaffenheit der Küsten für
Inseln hielten. Ne r i g on nennt Plinius die Gröfste;
gajiz natürlich! denn am südlichen Theile von Nor w
e g e n hat S c a n d in a v i e n die gröfste Breite, und
von diesem, als dem der südlichen Welt nächsten
Theile, konnte diese allenfalls noch die besten Nachrichten
haben.
j) L. 4. c, 13. 14. ns.
FALLEN DES MEERES - SPIEGELS. 413
Von Tacitus zieht man folgende Stellen hierher: Cetera
( Germmiiae) Oceanus ambit, latos sinus, et insula*
rum immensa spatia complectens; nuper cognitis qui-
busdam gentibus ac regibns, quos bellum aperuit ( 1). —•
Protinus deinde ab Oceano Rugii et Lemovii: omnium-
que harum gentium insigne, rotunda scuta, breves
gladii, et erga reges obsequium. Suionum hitic civi-
tates, ipsae in Oceano, praeter viros armaque clas-
sibus valent (2). — Der letzte Satz vorzüglich ist es,
auf welchen .hierbey einiges Gewicht gelegt zu werden
pflegte. Wenn indessen auch Tacitus die irrige
Vorstellung dafs S c andina v i en aus mehreren Inseln
bestehe, mit seinen Zeitgenossen getheilt, und nichts
Zuverlässigeres darüber beyzubringen gewutst hat'; so
beweist dieses eben nicht mehr, als was die Anderen
davon geschrieben haben, und da er in der erstem
Stelle selbst sagt, dafs man erst neuerlich Etwas von
jenen Gegenden erfahren habe; so erachtet man leicht,
dafs er selbst keinen Werth auf die Angaben davon gelegt
wissen will. Dabey aber kann seine Schilderung
nocl\ gar wohl von einem Lande gelten, dessen grofse
und tiefe Meerbusen den Einwohnern die Schiffahrt
und den Seekrieg nicht nur erleichterten, sondern
auch nothwendig machten.
Dafs auch Ptolemäus den alten Irrthum noch als
eine Thatsache beybehält, dafs er sich beym Ravennischen
Geographen noch findet, dafs sogar Aeneas Sylvins
im funfzehenten Jahrhunderte das Königreich
S c hwe d e n ein Land nennt, welches auf allen Seiten
vom Meere umflossen sey, — dieses Alles beweist nur,
dafs der alten Sage davon ein lange fortgepflanzter Irrthum
zum Grunde lag; denn im funfzehenten Jahr-
2) Ebendas. C. 45. und 44.