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Aber Beobachtungen -wirklicher Thatsachen, die
Gegenstand unserer Darstellung werden könnten, haben
wir blofs aus der Zeit der Europäischen Herrschaft
in der neuen Welt; und es läfst sich bey der Langsamkeit
solcher Naturwirkungen der einen Art, und
bey der Seltenheit der schnellwirkenden, erwarten,
daTs in dem kurzen Laufe von drey Jahrhunderten nur
sehr wenige sich ereignet haben werden, oder aufge-
fafst werden konnten. Die wenigen, von welchen
wir Nachrichten aufgefunden haben, theilen wir hier
mit.
An Sul l i van . s - I n s e l , welche an der Nordseite
des Eingangs des Hävens von C h a r l e s t own liegt,
hat das Meer von ihrer Westseite so viel Land weggerissen,
dafs man die Abnahme binnen drey Jahren (vor
1786) auf eine Viertelmeile schätzen konnte (1). Der
Sund (die Meerenge zwischen N ew - Y o r k und
Long - I s l and) , deren südlicher Felsen-Eingang den
Nahmen der Hö l l e n p f o r t e führt, und die an ihrer
breitesten Stelle drey bis vierhundert Toisen, an der
schmälsten siebenzig breit ist, soll einer Tradition zufolge
neuerer Entstehung seyn. . Im Anfänge des sie-
benzehenten Jahrhunderts erzählten die dortigen Ein-
gebohrnen den ersten Holländischen Colonisten, dafs
die Urgrofsväter ihrer Väter, wie sie von letzteren gehört,
noch trocknes Fufses von den jetzigen Inselküsten
bis zu denen, die heutzutage d,s feste Land be-
gränzen, hätten gehen können, und dafs nur bey hohen
Aequinoctialfluthen das Meerwasser wie ein starker
Bach zwischen beyden durchgeströmt sey. Auf der
Seite von N ew - Y o r k besteht das dortige Ufer aus
l ) Schöpf Bey träge zur mineralogischen Kenntnifs des östl.
Theils v* Nordamerica. S. 20. 21.
AM E R IC A UND A U S T R A L IE N . 9 7
kahlen senkrecht abgeschnittenen Felsen; auf der Seite
von Long - I s l an d aber aus ebenem jetzt wohlculti-
virten Boden (1).
Die Westindischen, insbesondere die sogenannten
Le ewa rd s - In s e ln unter den kleinen Ant i l l en erleiden
immerfort Zerstörung durch das Meer. Auf der
Insel Granada hat die Stadt Gr an v i l l e neuerlich
die ganze eine Seite einer Strafse verloren, welche
das Meer weggerissen hat (2).
S ü d ame r i c a ist, so wie auch Ne u-S pani en
immer Schauplatz der gröfsten physischen Revolutionen
gewesen, welche durch Vulcane und Erdbeben bewirkt
worden sind, und beyde Theile bieten mehrere
Vorfälle dar, die Veränderungen in der Gestalt des Bodens
hervorgebracht haben. Für die Veränderung im
Verhältnisse zwischen Land und Meer können wir nur
folgende an führen.
In der Provinz Cumana zerstörte im Jahre 1726.
eine ungewöhnliche Naturerscheinung die Saline von
Araya; und ein Fort, dessen Erbauung über 1 Million
Piaster gekostet halte, wurde dadurch unbrauchbar.
Ein heftiger Windstofs nehmlich — eine seltene Erscheinung
an dieser Küste, wo das Meer gewöhnlich
nicht unruhiger ist, als das Wasser in grofsen Flüssen—■
warf die Fluth des Oceans weit in das Land hinein;
sie durchbrach den Isthmus, der höher war als die
gewöhnliche Flüthhöhe, und verwandelte den hinter
1) Voyage dans la haute Pensylvanie et dans l ’état de Nevr-
Y o r k , par un membre adoptif de la Nation Onéida. Palis.
igoi. Vol. 2d. pag. 310 — 315-
2) Stevenson, in Memoirs o f the Wernerian Nat. hist. Soc.
of Edinburgh. V o l. 2. P. 2. p. 487*
Verând. d .E rd fl. Bd. I. G
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