Bewegungen des Meeres zu der Bildung neuen Landes
mehr und wesentlicher wirken, als der Sand den ein
ein einziger Flufs wie der Achel o us in seinem Laufe
mit fortführt.
Die I t a l i en i s c h en Kü s t e n des Adri a t i sch
e n Me e r e s sind ein ausgezeichneter Schauplatz
der Landbildung durch die vereinigte Wirkung der
Ströme und des Meeres. Das von den höchsten Alpen
und den Appenninen umgebene grofse Becken, in welchem
der I sonzo , T a g l i ame n t o , die Piave' ,
Br ent a , Et s ch und der Po diesem Meere Zuströmen
liefert reichlich die Stoffe zur Vergröfserung des Landes,
welche auch hier in wirklich grofsem Maasstabe erfolgt;
und die Küstenströmung wirft noch dazu im innern
Winkel des Adriatischen Meeres allen aufgewühlten Sand
von den Dalmatischen Küsten an die Venötianischen
herüber (1).
Dafs die L a g u n e n vo n Ven e d i g dem Versanden
in hohem Grade ausgesetzt sind, ist allgemein bekannt;
nur unaufhörliches Reinigen hält sie noch unter
Wasser, sonst würden sie längst in trocknes Land
umgewandelt seyn. Wenn man gleich keine Ueberlie-
ferungen davon hat, dafs, wie Einige behaupten (2), die
Lagunen ehedem sich vom L i g o n z o bis zum S a v io
(südlich von Rav enna ) erstreckt hätten; so ist das
doch wahrscheinlich, denn dieser ganze Landstrich bis
auf so und mehrere italienische Meilen ins Land hinein
1) Ritter Erdkunde Th. 2, S. 461. — »Raccolta d’Autori del
moto dell’ Aque, 4 , 7o.
2) * Sabattino, depos. mag. aq. 1. 3 .— D e l la Laguna di V e n e zia,
Trattato di Bernardo Trevisan, Venezia 1715. 4. S. 5.
zeigt sich als Alluvion. Die Venezianische Lagune ist
aber der Theil dieser ganzen Gegend, welcher zwar
auch Veränderungen erlitten, aber sich doch allein als
Lagune, d. i. als ein durch vorliegende Inseln und Halbinseln
vom Meere abgeschnittener Busen mit seichterem
Grunde als das Meer selbst, erhalten hat. Die ältesten
historischen Nachrichten schildern uns dieselbe wenigstens
ungefähr so wie sie jetzt ist, denn bis in jene
Zeiten hinauf, in welchen noch die alte ansehnliche
Stadt Ad r i a am Ufer des von ihr benannten Meeres
lag, reicht keine eigentliche historische Nachricht davon.
In Ansehung der Flufsmündungen und Inseln hat
sich indessen doch Manches geändert.
Es ist wahrscheinlich, dafs die ehemalige Stadt A l tin
um an einer gemeinschaftlichen Mündung der vereinigten
Flüsse Piave und S i l o gelegen hat. Die Gegend
umher wird von den. Alten als ein reizender Meerbusen
geschildert (1); jetzt sieht man dort nur häfsliche
Sümpfe, und der Lauf der beyden sich nicht mehr
vereinigenden Flüsse ist verändert. Ob dieses letztere
durch Versandung verursacht worden ist, oder durch
einen im vierten oder fünften Jahrhunderte erfolgten
Bergfall oder Erdfall, wie Bernarda Trevisan (2) anführt,
bleibt ungewifs. Schon in den ältesten Zeiten,
in welchen die Ufer dort angebaut waren, wendeten
die Einwohner ihren Fleis auf Eindämmen, Grabenziehen,
und Schutzmittel gegen die Zerstörungen, welche
Meer und Flüsse ihrem Lande zufügen konnten (3). Es
kam ihnen darauf an, das Land zu erhalten und auch
1) Martial. L . 4. epigr. 25. ■— Cassiodor. V*riar* eP» L . 12.
epist, 22.
2) a. a. O. S. 26.
3) Strabo,l>. 5- T , 3. p. I8j. — iHiniui K* N. L . 3. C. 6.