Da hier der Ort ist, sie näher zu untersuchen, so
wagen wir uns daran.
Die Vertheidiger der Celsiusischen Hypothese, wenigstens
Einige darunter, glaubten annehmen zu können,
dafs die historische Zeit S c an d in a v i en noch als
Eine oder mehrere Inseln gekannt habe, welche nur
durch das Sinken des Meeres-Spiegels unter sich und
mit dem festen Lande zusammenhängend geworden
seyen. Die ältesten Nachrichten von S c and ina v
i e n auf welche man diese Vorstellung gründete,
suchte man in demjenigen, was von Pytheas über einige
nordische Gegenden berichtet, und uns von Strabo
aufbewahrt worden ist. Das von jenem Reisenden
mit dem Nahmen T h u l e bezeichnete, von den Erklä-
rern bald dahin bald dorthin versetzte Land, scheint
nicht I s l and sondern d ie Rüs t e von No rwe g e n
gewesen zu seyn (1), wofür manche Umstände sprechen,
wie z. B. dafs man diese Küste von Scho t t land
aus gar wohl in sechs Tagen erreichen kann,
nicht aber die von Island, welches von Einigen für
das T h u l e des Pytheas gehalten wird, wohin aber Seefahrer
der damaligen Zeit schwerlich im Stande gewesen
seyn würden, diese Reise so schnell zurückzulegen.
Dann die Aeufserung des Strabo (2), nach Pytheas, dafs
T h u l e unter dem nördlichen Polarkreise liege, und die
des Plinius, dafs in T h u l e zur Zeit der Sonnenwende
die Sonne nicht untergehe (3); dieser Umstand pafst nicht
auf das südlich vom Polarkreise liegende Island,
wohl aber auf Nordl a nd . Das Ne r i g on des Plinius
mag daher wohl das südl i ch e No rwe g e n
und sein so wie des Pytheas T h u l e das n ö r d l i 0
Leojj. v. Buch Reise durch Norwegen und Lappland.
2) L. a. T. 1. p. 304. 3) L, 4. C. i6.
che gewesen seyn. Da die Römer von diesen Ländern
höchstens einige Küstenstriche kannten, so mochten
sie leicht die grofsen die Ufer zerreifsenden F i o r d e
für Me e r eng en , und das Land selbst für eine Inselgruppe
ansehen. Uebrigens wois Strabo( 1) selbst nicht,
ob Pytheas sein T h u l e für eine Insel oder für festes
Land gehalten hat. Eine Schilderung von Thul e ,
die Procopius (2) macht, pafst auch weit eher auf das
nördliche No rwe g e n als auf I s l a n d, da darin von
einem vierzigtägigen Tage daselbst die Rede ist. In
dieser Angabe wiederholt Procop doch wohl nur die
von älterer Zeit her gangbare Notiz von dieser ver-
meyntlichen Insel, wofür er ebenfalls das wenig bekannte
Land noch hält. Pomponius Mela, Plinius,
Tacitus und Ptolemaeus erwähnen zwar allerdings
grofser Inseln in den Meeren nördlich von Ge rma n
i en , vaber doch in der That nicht auf solche Weise,
dafs man genöthiget wäre anzunehmen, S c andina v
i en selbst habe zu jener Zeit blofs aus Inseln bestanden.
Pomponius Mela (3) schildert eine Gegend, welche
man wohl für den westlichsten Theil des Baltischen
Meeres halten kann. Super Albin, sagt er : Codanus
ingens sinus magnis parviscjue insulis reffertus
est. Hac re mare quod gremio littorum accipitur, nus-
quam late patet, ncc uscjiiam mari simile, verum aquis
passim inierßuentibus ac saepe transgressis, vagum
atque diffusum facie amnium spargitur: qua littora
attingit, ripis contentum insularum non longe distan-
tibus, et ubique pene tantundern, ut angustum et par
fr e to , curvansque subinde se, longo supercilio inflemi
i~) L . 3. zu Anfang.
3) L. 3. c. 3.
a) Bell. Goth. L. 2. c. 15.