
uns zu Dr. Fagergrün, den wir anfangs nieht zu Hause trafen, sondern nur
seine liebenswürdige Frau, Tochter eines Franzosen (eines französischen
Generals in persischen Diensten) und einer Armenierin, aus Tebriz, welche
aber das Deutsche noch geläufiger sprach als ihr Mann. Dr. Fagergrün erzählte
uns von dem Erdbeben noch, dass es zwischen 3—-4 Uhr Morgens
gekommen sei, sich aber schon vorher durch ein auffallendes Steigen des
Wassers in allen Ziehbrunnen der Häuser angekündigt habe. Schon 8 Tage
vorher hatte er ein solches Steigen in seinem Ziehbrunnen b'emerkt, und
am Abend vor dem Erdbeben selbst war der Brunnen übergelaufen, und
das Wasser aus dem Erdboden bis in seine Küche gedrungen, so dass er
schon geahnt und ausgesprochen habe, es müsse irgend etwas Besonderes in
der Natur Vorgehen.-*) Wir wurden von ihm für den nächsten Sonntag zum
Abendessen eingeladen, wobei wir ausser gutem Schiräswein zu unserer
nicht geringen Verwunderung auch englisch Porter und Ale tranken. Wir
fanden daselbst auch Chodscha Petros und den armenischen Geistlichen,
welcher uns vorher einen Besuch gemaeht hatte, so wie Dr. Kosenzweig,
genannt Mirza Aly, und später kam noch dessen moslemische Frau dazu.
Diese ist die einzige Muhammedanerin, sc. aus vornehmerem Stande, welche
ich in einer Stadt des Orients unverschleiert gesehen o . habe. — Unterwegos
hatten wir 2 Verrückte gesehen, der Eine, ein sogenannter Heiliger, ging r vT ' ” 0 / 0 0
ganz nackt auf den Strassen umher, der Andere, von Kopf bis Fuss schar-
lachroth gekleidet, ritt unaufhörlich .durch die Strassen und Gassen der
Stadt mit dem Ausrufe „Aly!“ Der Letztere soll eine tägliche Pension von
3 Qrän (etwa 1 Thaler) von dem Schah erhalten. Das Innere der Stadt
hietet wenig Interessantes dar; die Basär’s sind zum Theil überwölbt, die
Häuser sämmtlich von gelben an der Sonne getrockneten Backsteinen erbaut,
die Strassen und Gassen waren noch theilweise voller Schutt, von den
durch das Erdbeben eingestürzten Häusern, welche grossentkeils nicht wieder
aufgebaut waren, und wahrscheinlich auch Kuinen bleiben, da die Perser
in Folge der Päderastie, welche in furchtbarem Maasse durch das ganze Land
herrschen soll, auszusterben scheinen.
Wir machten auch unserm Hauswirth, dem Chan, einen Besuch, dessen
älterer Sohn der britische Agent ist, und fanden in seinem Salon an den
) E r gab mir einige ro h e K a rn eo le , die er bei Beschihr, 2 Stünden südlich von
da gefunden h a tte , wo d e r ganze Boden damit bedeckt sein soll.
Wänden lebensgrosse weibliche Figuren auf Holz gemalt, zwischen dem
Schnitzwerk nach aussen überall bunte Glasscheiben. Letztere lieben die
Perser sehr — auch in unsern Zimmern waren sie an den Fenstern angebracht
— auch bildliche Darstellungen von Pflanzen, Thieren und Menschen. Porträts,
historische Malereien, Genrebilder u. s. w. findet man bei ihnen häufig,
und sie haben es darin zu einer gewissen Kunstfertigkeit gebracht, nur die
Perspective ist ihnen unbekannt. Es ist merkwürdig, dass die Schiiten,
welche in mancher Beziehung weit strenger sind als die Sunniten, in anderer
dagegen sich viel mehr Freiheiten gestatten. So ist auch der Qor’än in
Persien öfter und sogar mit Illustrationen gedruckt worden, was die Sunniten
mit Kücksicht auf den Broderwerb ihrer Schreiber nicht gestatten. Porträts
sind eigentlich bei den Sunniten ganz verpönt, weil sie leicht zur Abgötterei
— nach der Ansicht der Ulema’s — führen könnten, nur Arabesken
sind ihnen erlaubt; erst die beiden letzten Sultane haben sich bekanntlich
über dieses Vorurtheil hinweggesetzt.
Sobald die Juden von Schiräs unsere Ankunft vernommen hatten, so
kamen sie, uns aufzusuchen, und zwar vornehmlich die Eabbiner und Aelte-
sten der Gemeinde, um. Mr. Brühl, dem Missionar, zuerst ihre Aufwartung
zu machen, mit ihm über Keligion zu sprechen, und hebräische Bibeln von
ihm zu kaufen, Aermere, um sie als Geschenk sieh zu erbitten. Andere
kamen auch zu mir, um mir Münzen oder geschnittene Steine zu verkaufen,
von denen ich mehreres Interessante erwarb. Alte hebräische Handschriften
besassen sie so wenig als andere Juden des Oriente, und noch weniger arabische
oder persische, die sie nicht lesen konnten. Von diesen besorgte mir
einige der Mirza (Schreiber, Secretär) des Chän’s. Ueberhaupt sind die
Juden des Oriente sehr ungebildet; die von Schiräs haben sich eine besondere
Sprache angeeignet, welche auch kein Jude eines ändern Ortes versteht;
merkwürdig war mir, dass ich bei ihnen, wie auch bei den Juden
anderer Städte Persiens das deutsche Wort „Jahrzeit“ öfter hörte, was vielleicht
zum Beweise dienen kann, dass sie, wenn nicht ganz, was wohl kaum
glaublich, doch theilweise aus Polen eingewanderf, oder vielmehr aus einer
Mischung von polnischen und einheimischen Juden hervorgegangen seien.
Die Juden leben in Persien unter grossem Druck, sind die verachtetete
Nation und steten Misshandlungen ausgesetzt, wesshalb auch Tausende von
ihnen ihren Glauben abgeschworen haben. Zu dem Christenthum überzutreten
ist ihnen nicht verstattet, und so sehr hängen sie an der Scholle, dass