
Ich füge dieser Fabel noch einige andere fabelhafte Erzählungen hinzu,
die ich aus dem Munde des Priesters habe, ob sie gleich theilweise nicht
an diese Stelle gehören. Sie mögen aber zum Beweise meiner obigen Behauptung
dienen, dass die Mandäer ihre Sagen zum Theil den persischen
angepasst, und aus persischen Berichten entlehnt haben.
Zu der Zeit des Xu (Noah) lebte der Kiese ’Audsch, Og, welcher von
der Erde bis zum Himmel reichte, und sich nicht sättigen konnte, ob er
gleich Alles, was er vorfand, an die Sonne hing, um es zu braten, und dann
zu verspeisen. Als Noah die Arche bauen wollte, bat er ihn, ihm Holz dazu
zu bringen, und versicherte ihm, dass er ihn dann auch satt machen wollte.
E r ging auf den Libanon, riss einige Cedem aus, und begab sich zu Noah.
Unterweges begegnete ihm Kucha (s. Anm. 46.), und fragte ihn, was er mit
dem Holze machen wolle? E r erzählte ihr den mit Noah eingegangenen Vertrag,
worauf sie ihm entgegnete, dass dieser ihn nur täuschen wolle; Noah
werde sein Versprechen nicht halten, und er solle ihm daher das Holz nicht
bringen. Denn sie wusste, dass Noah damit die Arche bauen, und Menschen
und Thiere darin aus der Sündfluth retten wollte, was sie zu verhindern
gedachte. Og warf daher das Holz weg, und behielt nur 1 Stamm, der seine
eigne Länge hatte, und ihm als Stock diente. Diesen zeigte er dem Noah,
und sagte ihm: wenn er ihn einmal satt mache, so wolle er ihm mehr von
diesem Holze bringen. Noah ging darauf ein, und gab ihm eine Kanne gefüllt
mit Wasser aus dem Järdena, mit der Bitte, sich vorher zu waschen.
Während er diess th at, sprach Noah den Namen des „ersten Lebens“ ans.
Augenblicklich wurde Og so klein, wie alle ändern Menschen. Noah gab
ihm 2 Brode, aber nur 1 davon vermochte er zu essen. Dann überreichte
Og dem Noah seinen Stab, welcher genügte, um die Arche daraus zu bauen,
so dass er kein Holz weiter bedurfte. Og wurde darauf wieder so gross, wie
er vorher gewesen; die Sündfluth trat ein, konnte ihn aber nicht verderben,
da er weit über alles Wasser emporragte. Nachher kam er zweimal in ein
Land, dessen Bewohner ihm aus Furcht alles Vieh, was sie hatten, tiber-
liessen, um ihn zu befriedigen. E r hing es an der Sonne auf, imd briet es.
Da aber dadurch das Land ganz ausgesogen wurde, so beriethen sich die
Leute, was sie thun sollten, um ihn von sich abzuhalten. Sie kamen überein,
dass sie ihm, da er nackt war, ein Kleid anfertigen wollten. Sie führten
diess Vorhaben aus, und verwendeten dazu sämmtliche Stoffe, die in dem
ganzen Lande aufzutreiben waren. Als er zum dritten Male zu ihnen kam,
sagten sie ihm diess. E r hob Einen von ihnen auf, und legte ihn an sein
Ohr, da er sonst ihre Worte nicht verstehen konnte. Als er es gehört, nahm
er das Kleid, und zog es an. Es reichte ihm aber nur von dem Hals bis zur
Brust. Darauf schämte er sich, und kam nie wieder. E r zog nun weiter
über Land und Meer, und verzehrte Alles,_ was ihm vorkam. Einst fand er
eine ungeheuere Schlange, die um einen Berg gewickelt war; er zog sie
herauf, um sie gleich allem Ändern zn braten. Sie war aber noch länger
als er, und er konnte weder ihren Kopf noch ihren Schwanz zum Vorschein
bringen. Da fürchtete er sich vor ihr, liess sie los, und ging weiter. E r
fand unter Ändern auch das Männchen des Kiesenvogels Simurg (unsers
Greif, arab. ’Anqa), ergriff es, und verzehrte es, nachdem er es an der Sonne
gebraten hatte. Dieser Vogel, der grösste von allen, konnte zugleich sprechen,
hatte Verstand, und wusste sogar die Zukunft vorher. Das Weibchen
entrann den Händen des Og, und floh zu Sam, König von Persien, einem
tapfem und kräftigen Manne, Grossvater des bekannten Helden Rüstern,
um ihm ihr Leid zu klagen. Sam bestieg sein Ross, und zog aus gegen Og.
Bald fand er ihn, und hieb ihn in die grosse Fusszehe, welche die Ausdehnung
(Grösse) eines Berges hatte. Diess verursachte nicht nur Og grosse
Schmerzen, sondern bewirkte auch, dass er kurz darauf theils in Folge der
Wunde, theils aus Hunger (weil er sich nicht mehr so schnell fortbewegen
konnte) starb. Vorher ging er aber noch von Persien nach Aegypten; weiter
konnte er nicht. Einen seiner Schienbeinknochen hat man der Priester
wusste nicht, wo? — über das Meer gelegt, und auf diese Weise eine Brücke
gebildet; doch ist diese nicht so breit, dass beladene Kameele anf derselben
sich einander ausweichen, oder sich umdrehen können, daher jede Karawane,
bevor sie darüber geht, durch starkes Trommeln sich am entgegengesetzten
Ufer hörbar macht, um ein Entgegenkommen zn verhindern.*) Sam erhielt
*) Auch die Ju d e n h ab en a lte T raditionen von Og. In dem Buche Qab h a jja s ch a r
von Zebi H irsch b en Scbmuel Keidenover au s dem 17. J a h rh u n d e rt soll F olgendes von
ihm gesagt se in : „O g , K ö n ig von B a sa n , le b te z u r Z e it d e r Sündfluth, weil es von ihm
Deut. 3, 11. h e is st ,...E r a lle in w a r noch ü b rig von den R ie sen ,46 u und die Riesen wareh
vor d e r Sündfluth da. E r e rh ie lt sich dadurch, dass e r sich m it den H än d en an d e r A rche
Noah’s festhielt. E r leb te auch noch zu r Z e it des A b rah am , und wird nach Ra schi Gen.
14. 13. a n g e d e u te t, als d e r , welcher entronnen wa r. D a e r die Sara zu r F ra u wünschte,
so suchte e r den Tod des Abraham dad u rch h e rb e izu fü h ren , dass e r ihm die Nachricht
von IiOf's Gefangennehmung ü b e rb ra c h te , um ihn dadurch in Krieg zu verwickeln. E r
sta rb e r s t zu r Z e it des Moses, und zwar nach d e r einen L egende dad u rch , da ss e r einen