
könnte man es allerdings so benennen, da es ihrer Meinung nach von dem Engel
Hibil Siva dein Adam in seiner gegenwärtigen Form aus den Lichtwolken überbracht
und erklärt worden sein soll; allein derselbe Name würde dann auch
ihren übrigen heiligen Schriften beizulegen sein, da sie dasselbe auch von diesen
mit einer einzigen Ausnahme behaupten.
In diesem Werke nun, welches in beiden Theilen mehr als 100 einzelne Abschnitte
ohne allen Zusammenhang und von sehr ungleicher Grösse in sich
schliesst, ist die ganze Glaubenslehre der Mandäer enthalten. Da sie aber offenbar
von verschiedenen Verfassern und sicher auch aus verschiedenen Zeiten
herrühren, da sie im Einzelnen mehrfache Ueberarbeitungen und Interpolationen
erlitten haben, da das sehr complicirte System im Laufe der Zeiten manche
Modificationen erleiden musste, und da die Namen der Gottheiten, Engel, oder
Aeonen öfter mit einander verwechselt, auch einer und derselben Person oft
ganz verschiedene Namen beigelegt werden, so ist es erstaunt schwierig, aus
diesem Chaos sieh herauszuwickeln, und ein vollständiges System der mandäi-
schen Glaubenslehre darzustellen, zumal da die Ausgabe von Norberg theils
wegen der Corruption des Textes, theils wegen der Unzuverlässigkeit der Ueber-
setzung, theils endlich dadurch, dass er in Ermangelung mandäischer Typen
den Text mit syrischen Lettern abdrucken liess, fast ganz unbrauchbar ist.
Ueber den Uranfang aller Wesen finden wir in einem und demselben Abschnitte
dicht hinter einander 3 verschiedene Relationen, welche sich theils ergänzen,
theils widersprechen. Als den Urgrund aller Wesen stellen sie die endlose
Materie dar, und mit ihr den diese belebenden Geist, die Weltseele. Die
Materie ist analog dem orphischen Mythus von dem Weltei, repräsentirt durch
„die grosse Frucht in der grossen Frucht“,*) in welcher demnach schon alles
Andere im Keime vorhanden war. In derselben waren, und aus ihr entstanden
zahllose Früchte und Seheehina’s (worunter theils „Wohnungen“, theils nach
Analogie der Kabbalisten „Majestäten, Gottheiten“ verstanden werden), und in
jeder einzelnen dieser Früchte waren wieder unzählige Thiere und Schechina’s,
welche fortwährend den grossen Weltgeist preisen.
Dieser Weltgeist wird gewöhnlich Mana rabba de iqära genannt, d. i. Mana
(der Geist), der „Herr der Glorie“, wird aber auch unter ändern Namen erwähnt,
und soll deren im Ganzen 360 haben. Er thront in der grossen Frucht, mit welcher
er auch verwechselt wird. Um aber aus dieser Zweiheit zu. der den
Mandäern heiligen Trias zu gelangen, wird neben beide als gleich ursprünglich,
oder, nach einer zweiten Relation, als zuerst aus Mana rabba emanirt, Ajar siva
rabba „der Aether des grossen Glanzes“ gesetzt, in welchem ebenfalls Mana
rabba thront. Aus diesem Ajar siva rabba emanirte das lebendige oder Lebensfeuer,
Esehatta hojta, aus welchem wieder das Licht hervorging, und in demselben
Aether war auch das durch die Kraft des Mana rabba de iqara entstandene
„Leben“ und der Järdena rabba „der grosse Jordan“, au3 welchem Hajje
qadmäje „das erste Leben“ entsprang, und viele Jordane, die sich in die Welt
des Aethers ergossen. Denn das für die Lebenserhaltung so unentbehrliche
Wasser ist dem Orientalen, dem es oft daran mangelt, von der grössten Wichtigkeit,
und das heilsame f lie s s e n d e Wasser gilt den Mandäern für besonders
heilig und für eine der ersten Emanationen der Gottheit, daher sie auch nur
*) N o rb e rg , welcher sieh „d ie F ru c h t“ h ie r n ich t e rk lä re n k o n n te , se tz t 8CJ“ ? für
S i'- s , ü b e rse tz t dieses durch völucris, und e rk lä r t es durch Phönix!
wohnen dürfen, wo dieses sich findet, und alles fliessende Wasser von ihnen mit
dem heiligen Namen des „Jordan“ benannt wird. Später wahrscheinlich gab
man, vielleicht mit Rücksicht auf Gen. 1. dem Mana rabba „sein Bild BWWi“
Demütheh, bei, welches gleichsam als seine Gattin betrachtet wird, und endlich,
um die Dreizahl wieder herzustellen, noch die geheimnissvolle, stets in dem
Innersten verschlossene Nitnfta, eine zweite, weibliche Gottheit, welche aber
wieder mit jener verwechselt wird. Jedoch, um aus dieser Dreiheit wieder zu
der Einheit zurückzugehen, wird der höchste Gott, Mana rabba de iqära selbst
wieder, jedoch nur an einer einzigen Stelle Bar Javar, Sohn des Javar, also
Sohn des Allerhöchsten genannt.
Nach der ersten Emanation, durch welche Hajje qadmäje „das erste Leben“
aus ihm hervorging, zog sieh Mana rabba in die tiefste Verborgenheit zurück,
sichtbar nur für einige der höchsten Emanationen und für die Geister der
frömmsten Mandäer, welche nur Ein Mal nach ihrem Tode zu der Anschauung
des Allerhöchsten, aus dem auch sie hervorgegangen sind, zugelassen werden.
Als der geoffenbarte, und in der Welt wirkende und schaffende Gott —
aber nicht der Demiurgus der Gnostiker, welcher nach den Mandäern Petähil
(Fetähil) oder Gabriel ist — wird nun „das erste Leben“ dargestellt, welchem
daher auch vor allen Ändern Verehrung uud Anbetung zu zollen ist. Darum
wird auch dieses, und nicht Mana rabba, der über alle Verehrung erhaben gedacht
wird, bei allen Gebeten zuerst angerufen, nnd jedes Buch, ja jeder Abschnitt,
wird in seinem Namen begonnen. Auch ihm werden viele und theilweise
dieselben Namen beigelegt, wie dem Mana rabba, mit dem es zuweilen verwechselt
wird. Es thront gleich ihm in dem reinen, glanzvollen Aether, der als eine
Welt betrachtet wird, in welcher Alles, was da ist, selbst die Wohnungen und
Pflanzen mit den fliessenden Gewässern, Jordane genannt, von dem Lebensfeuer
durchdrungen ist, und zahllose Uthre d. i. „Engel“ in ewiger Seligkeit
wohnen.
Aus dem „ersten Leben“ (Hajje qadmäje) emanirte zuerst „das zweite Leben“
(Hajje tinjäne), und nächst diesem Manda de hajje. Das „zweite Leben“
gleich Manda de hajje aus dem „ersten Leben“ und „dessen Bilde“, Demütheh.
gleichsam der Gattin desselben, hervorgegangen, wird zwar dakja „das reine“
genannt; aber es werden ihm dann auch unreine Gedanken zugeschrieben, es
will sich erheben über das erste Leben, und wird desshalb von diesem aus der
Welt des reinen, glanzvollen Aethers ausgeschlossen, und in die Lichtwelt versetzt,
welche durch „die Ströme der Gewässer“ (Hafiqe maje, bei den Kabbalisten
Afiqe maje) von jener getrennt wird. Es ist gleichsam der Qa'fn, während
sein jüngerer Bruder, Manda de hajje, der Abel ist. Dieser ist der Vater, Herr
und König der Engel (Uthre), der Herr der Welten, der geliebte Sohn, der gute
Hirt, der Hohepriester, das Wort des Lebens, der J.oyof, der Lehrer und Erlöser
der Menschheit, der in die Hölle fuhr, und den Teufel fesselte; er ist mit Einem
Worte der Christus der Mandäer, welche auch nach ihm sich benennen. Er weilt
bei dem Vater, als welcher bald Hajje qadmäje, bald Mana rabba angegeben
wird, und er wird auch gleich dem „ersten Leben“ Adam qadmäja „der erste
Mensch“ (vgl. Adam qadman der Kabbalisten) genannt. Er offenbarte sich aber
den Menschen zu verschiedenen Zeiten in seinen 3 Söhnen, welche auch seine
Brüder heissen, Hibil (Abel), Schithil (Seth) und Anusch (Enos), und von denen
an einer ändern Stelle wieder gesagt wird, dass nur Hibil sein Sohn, Schithil
sein Enkel, und Anusch (Enos) sein Urenkel sei. Von Hibil, dem Gefeiertsten
uuter diesen, auch gewöhnlich Hibil Siva („Hibil der Glanz“) genannt, wird
P k t k r m a x n , Reise im Orient. H . 2 9