
Quarantaine verlassen, aber beinahe wären wir noch einen Tag länger aufgehalten
worden. Um Mitternacht kam ein Beamter der Quarantaine, geschickt
von dem Gouverneur Osman Pascha, zu uns, um uns die so eben
eingetroffene Nachricht mitzutheilen, dass der grosse kurdische Stamm J ä v
bei Suleimanije nicht allein die Abgaben zu zahlen sich geweigert habe,
sondern auch im vollen Aufstande begriffen sei, und die ohnehin durch die
Beduinen von dem Stamme Schemmär bedrohte Gegend noch weit unsicherer
mache. E r rieth uns daher, mit der grössern Karawane, welche am Dienstag
Morgen aufbreche, und unter grösser Bedeckung, die Weiterreise zu unternehmen.
Wir sehnten uns aber von dort weg und nach Bagdad zurück,
daher wir von einem Aufschub der Reise nichts wissen wollten. F ür diesen
Fall versprach er uns 10 Reiter zur Bedeckung, da die dortige Behörde die
Verpflichtung hatte, alle Reisenden sicher nach Bagdäd zu bringen, und für
etwaige Verluste aufzukommen. Am Morgen wollte unser -Qatirdschi nicht
fort, bis wir ihn dazu nöthigten. Wir gingen mit dem Doctor, welcher noch
gekommen war, von uns Abschied zu nehmen, voraus bei dem grossen
Palmengarten — wir sahen hier nach langer Zeit die ersten Palmen wieder
— vorbei durch Chadschi qara, so heisst die Vorstadt von Chänekin, mit
440 Häusern, darunter 2 0— 30 jüdische, welche durch eine schöne steinerne
Brücke von 13 Bogen über den Fluss Holwän von der eigentlichen Stadt
Chänekin getrennt ist, die nur 215 Häuser hat, unter denen etwa 10 jüdische
sind. Das erste Haus von Chadschi qara war die geräumige Karavan-
serai, die zur Quarantaineanstalt eingerichtet war. Am Ende dieser Vorstadt
ist der Begräbnissplatz, und daneben, theilweise unter dem Wege, sollen
unterirdische schön von Backsteinen gemauerte Kammern sein, welche das
Gouvernement verschütten liess, weil sie Räubern zu Zufluchtsstätten gedient
hatten. Jenseits der Brücke kamen wir in das höher gelegene Chänekin,
wo wir uns am Rande des Flusses bei den Haidar’s, unserer Eskorte, lager-.
ten, und Kaffee tranken. Endlich, etwa 1 Stunde später, gegen 6 1/2 Uhr
Morgens, kamen unsere Thiere, und wir ritten fort, nachdem wir uns von
dem Doctor verabschiedet, und ihm für seine Gefälligkeiten gedankt hatten.’
Der Weg ging durchaus südwestlich in der Ebene fort, 5 — 6 Stunden lang.
Nach dem ersten Drittel passirten wir einen niedrigen Höhenzug, der sich
von Nord nach Süd hinzieht, und ziemlich breit ist; einen gleichen passirten
wir nach dem zweiten Drittel des Weges, und gelangten bei ziemlich lang-,
samem Marsche, gegen 12*/2 Uhr Mittags bei sehr grösser Hitze nach Qisil
Q is ra b a d (Qisil ß o b a t). Sehdhraban. 275
Robat (oder Qäsrabad, wie der Doctor richtig sagte, Andere nannten es
Qasilabad), wo wir in einem schlechten Chan untergebracht wurden, und
den ganzen Tag viel von der Hitze zu leiden hatten. Unterweges gab uns
der Lieutenant, Belik baschi, welcher mitgeritten war, ein Beispiel von dem
hiesigen Aberglauben. E r sagte, er hab.e einst mit seinem Hauptmann, ’Aly
Agha, bei Hilleh auf einem Hügel gesessen. Dieser habe seinen Stab auf
die Erde gestützt, derselbe sei tief eingesunken, und ebenso auf einer Stelle
daneben. Dann seien aus den dadurch entstandenen Löchern Wespen herausgekrochen,
die der Hauptmann ergriffen habe, und sogleich seien sie in
seiner Hand zu Goldstücken geworden, für deren jedes er 20 Qrän (etwa
6 Thlr. 20 Sgr.) bekommen habe. Ferner sagte derselbe, in der Nähe von
Qisil Robat sei ein Hügel; dahin habe ein christlicher Kaufmann m Bagdäd
einen Eingeborenen geschickt, ihm einen Talisman gegeben, und geboten,
denselben auf den Hügel zu legen, und darauf sogleich wegzugehen, ohne
sich umzusehen. E r that diess, und hörte bald hinter sich ein grosses Geräusch.
Nach einiger Zeit, als er schon ziemlich weit entfernt war, trieb ihn
die Neugierde, sich einmal umzudrehen. E r sah eine grosse Menge Vögel
aus dem aufgespaltenen Hügel kommen, der sich jedoch m Folge seines
Umdrehens plötzlich schloss.
Dienstag, den 10. October, wollten wir- ebenfalls zeitig wieder fort,
kamen aber durch den Eigensinn unsers Muckers erst 2 3/4 Uhr Morgens von
Qisil Robat (Qäsrabad) weg, begleitet von noch 4 Haidar’s. Der Weg ging
fast ganz südlich, war zur ersten Hälfte sehr staubig, und ging durch und
über mehrere kleine.Gewässer. Ungefähr in der Mitte des Weges gelangten
wir an erhöhtes steiniges Terrain, hatten über und zwischen einem felsigen
Höhenzug, theilweise in einer Schlucht, beschwerliche und halsbrechende
Stellen zu passiren, und kamen dann in eine breite, vielfach von zum Theil
ausgetrockneten Kanälen durchschnittene Ebene, wo wir nach g g Stunden
gegen 8 1/* Uhr Morgens, Schähraban erreichten. Hier liessen wir uns in
einem schönen Chan mit Gemach und Altan im obern Stock nieder. An
diesem Orte sind etwa 4 jüdische Familien, in Qäsrabad deren nur 2. Ich
kaufte hier 1 Cylinder und einige geschnittene Steine,. darunter einen mit
Pehlewischrift von einem Juden.
Von Chänekin an gab es nur Datteln, Wassermelonen und Feigen,
blaue in Qäsrabad, Weintrauben hatten wir in Serpül zum letzten Male gesehen.
Zwischen Chänekin und Qäsrabad sahen wir im ersten Drittel des