
den Persern lange untersagt, aber seit 2— 3 Jahren von Reschid Pascha,
dem damaligen Gouverneur von Bagdäd, wieder erlaubt worden war; auch
Leichen führte die Karawane in Kisten mit Leinwand umwickelt mit sich,
weil jeder vornehme Schiit, wenn er es nur irgend ausführen kann, in der
Nähe dieser beiden vornehmsten Imame, an heiliger Stätte, sich begraben
lassen will. Der Muschtehid machte nicht in eigner Person diese Reise mit,
sondern hatte nur seinen Bruder und Sohn, die sich der Karawane angeschlossen,
begleitet. E r war nicht nur der oberste Geistliche von Ispahän,
sondern sollte, wie man uns sagte, der oberste Geistliche sämmtlicher Schiiten
Persiens sein. Es giebt, so viel ich erfahren, überhaupt 3 Muschtehid,
deren Einer in Teheran, der 2. in Ispahän, der 3. in Meschhed ’Aly wohnt.
Von diesen, welche eigentlich einander coordinirt sind, soll jedesmal der
Gelehrteste, und dafür galt damals der genannte, den ersten Rang einnehmen.*)
Die Karavanserai lag nicht dicht an dem Dorfe Anuschirvän, sondern
dieses noch t/4— 1/2 Stunde rechts davon entfernt. Es scheint, dass in der
nahen Eelsenkette sich das ganze Ja h r hindurch das Eis an einigen Stellen
erhält, da es dort äusserst billig war; auch soll es in der Umgegend viele
Leoparden geben, und ein Bewohner von Anuschirvän versprach mir, noch
denselben Tag einen zu schiessen, hielt aber freilich nicht Wort.
Um 8^2 Uhr Abends ritten wir Dienstag, den 29. August, weiter. Der
Weg zog sich dicht an einer Felsenkette des Kasfend hin, welche links
liegen blieb, während eine andere Bergkette in weiter Entfernung rechts
lag. E r war nicht so staubig, wie der des vorigen Tages, wenig auf- und
absteigend, mehr sandig, zuweilen auch mit grossem, weissem Gestein über-'
deckt, die Gegend schien ganz unfruchtbar zu sein. Der Mond ging bald
unter; wir wendeten uns dann von West mehr nach Nordwest, stiegen über
eine kleine Anhöhe, und gelangten in ein neues, von Felsen umschlossenes
*) D e r G boläin, den wir bei uns h a tte n , n a n n te uns s ta tt des Muschtehid von T eheran,
den von B u lu d sch e rd oder W ebedscherd, und sa g te uns, die P ilg e rfa h rte n nach Meschhed
Aly se ien th e ils des h o hen Zolls wegen, den das tü rk isch e Gouvernement von den P ilgern
e rhoben h a tte , th e ils wegen d e r grossen Unsicherhe it des Weges von Kermanscha’n
aus so lange u n te rb lie b e n . Auch e rz äh lte e r uns, Reschid P a sc h a h ab e etwa 7 J a h re vorh
e r, im 1. J a h re d e r Regierung von Nasr eddin Schah eine E xpedition gegen die persisch e
Gränze unternommen, und viele P e r s e r niedermetzeln lassen, weil er- in E rfah ru n g g e b
ra ch t, da ss diese die Namen der 3 e rsten Chalifen, Abu B e k r, Omar und Osmän a u f
ihre Schuhsohlen schrieben, um sie mit F ü ssen zu tre te n . Unruhen im L an d e waren die
Ursache, dass d ie se r Stre ifzu g keinen K rie g zur Folge h a tte .
Thal, wo wir wieder Wasser und eine sehr geräumige, aber alte Karavanserai
bei einem Bache fanden. Das daran liegende Dorf beisst Schalisia odei
Kalisia. Man rechnet diese Tour zu 3 Farsach, wozu wir 5*^ Stunde
brauchten; doch muss ich bemerken, dass wir sehr langsam ritten. Wir
waren der Pilgerkarawane vorausgegangen, und gegen 2>Uhr Morgens hier
angelangt; ungefähr 2 Stunden später kam diese nach. Ich fürchtete in diesem
alten steinernen Gebäude die Anwesenheit vieler Schlangen, legte mich
desshalb nicht schlafen, sondern setzte mich in meinen Feldstuhl, und rauchte.
Unterweges hatte sich unser Gholäm mit Mr. Brühl viel über Religion unterhalten,
sich sehr wissbegierig und ziemlich gut unterrichtet gezeigt, und zuletzt
sogar den Wunsch geäussert, Christ zu werden, weil ihm diese Religion,
von der er nur sehr dunkle Begriffe bisher gehabt hatte, besser schien als der
Islam. Am folgenden Morgen erzählte ihm der Chandschi, dass 2 Tage vorher
in derselben Halle, welche wir eingenommen hatten, eine Schlange über
einen Menschen im Schlafe gekommen sei; und nun glaubte er, ich müsse
eine geheime Wissenschaft besitzen, Ich entgegnete ihm aber, dass dieses
Ungeziefer einer alten Erfahrung' zufolge in allen alten Gebäuden zu finden
sei. In Anuschirvän hatte es viel Melonen gegeben, hier dagegen gab es
vielen Wein, Bis hierher hatte der Muschtehid die.Seinigeü begleitet, und
dne- nun'.zurück. Wir aber zogen Mittwoch, den 30., gegen 8 Uhr weiter,
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und schlossen uns der grossen Karawane an. Wir ritten ziemlich rasch, da
wir eine grosse Tour vor uns hatten, einen Weg von 9 Farsach, erst westlich,
und dann in nordwestlicher Richtung. Die Strasse war wieder mehi
sandig als staubig.. Wir eilten bald der Karawane voraus, und erreichten
nach etwa 2 Stunden das niedrige Gebirge, wo hinter einem rechts vom
Wege liegenden Felsen, Hesär Mem genannt, die meiste Gefahr sein sollte.
Hier in der Nähe hausen die Jag h i oder Bachtijäri, Stämme der Ulyäts,
Beduinen, die erst vor Kurzem einem Kaufmann von Ispahän viele Tausend
Tomän geraubt haben sollten.*) Wir ritten durch das niedrige Gebirge,
sahen aber nichts. Der Weg ging mehrere Stunden lang zwischen den Bergen
hin, zuweilen mit grossem, breitem Thongestein belegt, und durch kleinere
Thäler, die sich zuletzt mehr erweiterten. Nach etwa 8 Stunden kamen
wir an eine verfallene Karavanserai, und nach 10 Stunden gegen 6 Uhr
*) D ie B a ch tijä ri sollen u n te r sich eine eigenthümliehe, die L ori-Spraehe , sprechen,
in welcher z. B. K e rn e einen Re iseg e fäh rten bezeichne.