
Mai beginnt, und bis in den August anhaltend sich bis auf 38 Grad Röaumur
steigern soll, die Mittagsstunden zubringt. Um Kühlung darin sich zu verschaffen,
da die Hitze allmälig bis in diese Eäume dringt, hat man darin
sogenannte Banka, das heisst, Holzleisten, die in der Form eines grossen
Parallelogramms an einander befestigt sind; über diese wird ein dünnes
Zeug gespannt, von welchem unten etwa noch 2 Hand breit lose herabhängt.
Diess wird mit eisernen Haken an die Decke gehängt, und ein besonders
dazu gemietheter Diener ist fortwährend beschäftigt, es an einem
Stricke, der nach oben hin geht, hin und her zu ziehen, um die L u ft in Bewegung
zu setzen. Unmittelbar unter demselben sitzt oder liegt man. In
dem Sommer 1853, welcher auch hier besonders heiss war, hatte Mr. Fresnel,
der Chef der französischen Expedition, in seinem Serdäb (diess bezeichnet
eigentlich „kaltes Wasser“ pers.) nur 27 Grad Reaumur, während oben die
Hitze bis auf 36 Grad gestiegen war.
In Mosul und Bagdäd haben die Frauen des gemeinen Volkes (vornehme
Muhammedanerinnen habe ich weder dort noch irgendwo in dem
Orient unverschleiert gesehen) die merkwürdige Gewohnheit, die Unterlippe
schwarzblau zu färben, was ich in Hille nicht bemerkte; dagegen haben sie
an Kinn und Backen Figuren in derselben Farbe. Sie tragen auch hier, wie
an den genannten Orten, Nasenringe, theils an einem, theils an beiden
Nasenflügeln, theils einen grossen, welcher durch beide Nasenflügel geht,
oder auch einen solchen an der mittlem Wand der Nase. Dieser Schmuck
findet sich namentlich bei kleinen und erwachsenen Mädchen, so wie bei
jüngern Frauen. Diejenigen, welche ihr Gesicht verhüllen wollen, haben
ein schwarzes, 4eckiges Tuch von geflochtenen Rosshaaren mit gelbem
Bande umnäht, und mit den Enden desselben über der Stirn festgebunden,
welches von da herabhängt, und ihnen Raum lässt, den Weg vor
sich zu sehen.
Wir waren kaum angekommen, als es stark zu regnen anfing, und dieser
Regen hielt die ganze Nacht an. Freitag, den 13., ruhten wir aus, aber
den folgenden Tag ritten wir nach dem 2 i/2 Stunde von Hille entfernten
Birs Nimrud. Diess ist der wahrscheinliche Thurm von Babel. Wir sahen
ihn, sobald wir aus dem Thore von Hille kamen. Der Weg ging in südlicher
Richtung über die Ebene. Es ist ein kleiner, mit der Mauer an der
Nordseite gegen 150 Fuss hoher Hügel, der aber in der grossen Ebene weithin
sichtbar ist. Dieser, nicht natürlich, sondern von Menschenhänden
aus lauter Backsteinen erbaut, und von bedeutendem Umfang, hatte ursprünglich
8 Absätze oder Terrassen von je 60— 80 Fuss hoch über einander,
also zusammen genommen eine Höhe von ungefähr 5 600 Fuss, und
eine Wendeltreppe von aussen, deren Gang man theilweise noch bemerken
kann. J e tz t ist er mit Sand und Erde bedeckt, und mit Gras bewachsen.
Wir ritten bis auf den ersten Absatz, und stiegen, oder kletterten vielmehr
die 2te Anhöhe zu Fusse hinauf. An der Nordseite auf dem Gipfel steht
noch eine dicke, aber von allen Seiten abgebrochene, 42 Fuss hohe Mauer,
an deren Spitze die 2te Terrasse wahrscheinlich endete. Dort waren wir
nun auf dem ältesten und berühmtesten Denkmale der Welt. Dicke, halbverglaste
Ziegel und mächtige Steinblöcke, die aber bei genauerer Besichtigung
sich als verglaste Backsteine kund gaben, liegen oben umher. Viele
dieser Ziegel haben, leider meist verwitterte, Keilinschriften mit dem Namen
Nebukadnezars, welcher diesen Thurm, wie er genannt wird, restauriren
liess. Dergleichen Backsteine, welche genau einen babylonischen Fuss in
Quadrat darstellen, mit theilweise noch gut erhaltenen Keilinschriften,
die stets den Namen desselben Königs zeigen, findet man in vielen Häusern
von Hille, wo sie an den Höfen und Fluren angebracht und zu den
Fussböden benutzt sind. - - In weiter Feme gen Süden oder vielmehr Südost
sieht man von oben das Dorf Kefel, wo das Grabmal des Propheten
Ezechiel gezeigt wird. Nach einigem Verweilen stiegen wir herab, und auf
einen nahe liegenden Hügel, auf welchem wahrscheinlich früher ebenfalls
ein Tempel gestanden hatte, jetzt aber eine kleine Moschee ist, in der wir
frühstückten. Hier, sagen die Moslemen, warf Nimrud den Abraham in s
Feuer (!), ohne dass dieses ihn verletzt hätte. Eine Treppe führte hinunter
in ein halbdunkles Gemach, an dessen Seite eine hölzerne Kiste lag, in welcher
vermuthlich die Gebeine Abraham’s aufbewahrt sein sollen. Wir hörten
von unten herauf eine weibliche Stimme, singend und wehklagend, und
nach einiger Zeit kam eine fromme Muhammedanerin herauf, welche dort
ihr inbrünstiges Gebet verrichtet hatte. Auf dem Rückweg besuchten wir
noch die westlich von der Stadt gelegene,, halb verfallene Moschee Mesdsched-
esch Scherns („Sonnenmoschee“), welche wahrscheinlich an der Stelle eines
ehemaligen Sonnentempels erbaut ist. In der folgenden Nacht hatten wir
ein heftiges Gewitter, welches mich aus dem Schlafe aufschreckte, begleitet
von starkem Regenguss.
Dienstag, den 17. Januar, reiste ich von Hille wieder ab, und zwar von