
Nor Dschugha (Neu-Dschulfa); auch soll Schah Ahbasl. diese ganz besonders
lieb gehabt haben, weil sie ihm als ihrem Befreier von dem türkischen
Joche mit vielen Geschenken entgegen gegangen waren, und die Schlüssel
der Stadt überreicht hatten. Zum Dank dafür, und aus Liebe zu ihnen,
weil er sie in seiner Nähe zu haben wünschte, liess er sie nach seiner Residenz,
Ispahän, auswandern (!). Nachdem sie sich dort häuslich eingerichtet
hatten, besuchte er sie öfter in ihren Häusern, ass und trank mit ihnen, und
verminderte ihre Abgaben. — Allmälig nahm ihre Zahl bedeutend ab; Viele
zogen nach dem Norden von Persien, nach Tebris, oder auch auf russisches
Gebiet, namentlich nach Tiflis; Viele aber wendeten sich auch nach Indien,
und es scheinen sämmtliche Armenier Indiens von Dschulfa zu stammen, da
alle dortigen Kirchen, deren es besonders in Calcutta, Serampür, Bombay
und Suräte viele giebt, von dem geistlichen Oberhaupte dieser Stadt abhangen.*)
Ursprünglich gab es nur A rm e n ie r in Dschulfa; da aber jene
Auswanderer ihre Besitzungen verwerthen wollten, und armenische Käufer
oft nicht zu finden waren: so sind allmälig auch Muhammedaner zu Grundbesitz
in diesem Orte gekommen, und breiten sich immer weiter dort aus.
Die jetzige Seelenzahl der Armenier in Dschulfa wurde mir auf 2000 Seelen
angegeben, die in ungefähr 300 Familien vertheilt sind. Es sind auch
25— 30 katholisch-armenische Familien hier, mit 1 Kirche und 1 Geistlichen.
Die orthodoxen, altgläubigen Armenier haben jetz t noch 12 (nach
einer ändern Angabe nur 7) Kirchen — früher hatten sie deren 24; die
Zahl der Geistlichen beläuft sich auf 40 — 50, von denen die Hälfte aber
fortwährend in Indien ist. Von Zeit zu Zeit gehen Geistliche von hier nach
Indien, um dort einige Jah re zu fungiren, und von den dortigen reichen
Armeniern Gelder für das Erzbisthum von Dschulfa, so wie für sich selbst
einzusammeln, und dann zurückzukehren. Denn hier residirt ein Erzbischof,
an welchen wir auch ein Empfehlungsschreiben von Bagdad aus hatten.
Leider war er damals gerade abwesend. E r war nach Teheran gegangen,
und beabsichtigte, auf der Rückreise die armenischen Dörfer zwischen
Ispahän und Teherän zu besuchen. Sein Wekil, Stellvertreter, ebenfalls
Wardapet, lud uns den nächsten Sonntag nach der Messe zum Frühstück
ein. Wir speisten sehr gut in einem Zimmer neben der Bibliothek, in wel-
*J In Bombay sollen n u r etwa 10 armenische F am ilien leb en , in Ca lcutta a b e r die
meisten sein.
eher 2500 armenische Handschriften sein sollen; aber — sie war verschlossen',
und der Wekil behauptete, dass der Erzbischof den Schlüssel dazu mitgenommen
habe. So war mir auch diese armenische Bibliothek, auf welche
ich noch die meiste Hoffnung gesetzt hatte, unzugänglich. Ein Kata og,
welchen auf mein Bitten später der Sohn des englischen Agenten mir hatte
schreiben lassen, enthält nur eine sehr geringe Anzahl.— Ausser dem
Wekil war noch ein anderer Wardapet und ein Priester zugegen. Monue
giebt es sonst in Dschulfa gar nicht; aber ausser diesem ist hier noch ein
Nonnenkloster mit 18 — 25 Nonnen, welche ihren Garten bearbeiten, un
sich mit der Erziehung der Mädchen befassen. Auf dem.Hofe des Mönchsklosters
sahen wir einen Glockenthurm mit 4 kleinen Glocken; auch mehrere
andere Kirchen haben noch Glocken, die übrigen aber, wie gewbhnlic
in dem Orient, ein dickes Bret, auf welches geschlagen wird. Am Nachmittag
ging ich in eine andere Kirche, um zum ersten Male eine armenische
Predigt mit anzuhören, welche über 1 Stunde dauerte, aber wider Erwarten
recht gut war. Die Predigt war schon angegangen, als ich eintrat.^ Der
Prediger behandelte eine Stelle aus dem Anfang des Exodus; dann ging er
Zu Matth. 16,18. über, und sprach über die Worte Jesu zu Petrus: g g
bist ein Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“, wobei er
nachzuweisen suchte, dass nicht Petrus den alleinigen Grundstein — es war ein
altgläubiger Armenier — sondern mit ihm Johannes, Paulus und Jakobus die
4 Grundpfeiler der Kirche bilden. E r schloss mit einer dringenden Ermahnung
an die Gemeinde, diesen Aposteln nachzueifern. Nach der Predigt sprach ein
anderer Priester von seinem Stuhle aus das Vaterunser. Dann lasen 2 Chorknaben
abwechselnd mehrere Psalmen, und nach jedem derselben sprach ein
Priester, wie in der englischen Kirche „Ehre sei dem Vater“ u. s. w. Darauf
wurde die Litanei, ebenfalls wie in der Episkopalkirche, gelesen, und zum
Schluss nahm ein Diakonus das Evangelienbuch von einem kostbaren Stuhle,
fasste es aber mit einem Tuche an, küsste es, und liess es erst von den Geistlichen
hernach von den Gliedern der Gemeinde küssen. Der Gottesdienst
wurde’ auf dem Hofe abgehalten, im Winter findet er in der Kirche Statt.
Es war an der Ostseite des Hofraumes ein Hochaltar angebracht, welcher
nach dem Gottesdienst wieder verschlossen ward, die Geistlichen sassen au f
besondern Stühlen dem Hochaltar zunächst. Die- verschiedenen Stufen der
armenischen Geistlichkeit sind von unten herauf folgende: 1) Semidiakonus
(Subdiakonus, M a x o v o S), 2) Diakonus, ■ 3) Archidiakonus - dieser ist