
Indien waren fast den ganzen Tag in meiner Nähe meiner Befehle harrend.
Ausserdem umlagerten mich, anfangs besonders, fortwährend Bewohner des
Orts, um mich anzustaunen, und Nachricht von dem Kriegsschauplatz von
mir zu erfahren. Der russisch-türkische Krieg beschäftigte die Gemüther
sehr, und überall, wo ich durchgekommen war, hatte man mich darüber befragt
nur nicht die Schiiten, welche gar keinen Antheil daran zu nehmen
schienen. Auch von Beirut hatte mir der Consul Weber geschrieben, dass
dort sich ein grösser Enthusiasmus für den Kampf gegen die Russen kund
gegeben, dass die ersten Siegesnachrichten von der -ganzen Bevölkerüng
mit Jubel aufgenommen worden, und die Freudenschüsse darüber kein Ende
nehmen wollten, dass von allen Seiten Freiwillige zusammenströmten, und
selbst die Maroniten des Libanon dem Sultan ihre Dienste angeboten, und
schon 600 Mann nach Beirut geschickt hatten, welche in der Umgegend
einquartirt waren. -— Ich befriedigte die Neugier der Kommenden, so gut
ich konnte, da ich selbst nicht viel Neues in Bagdad erfahren hatte, und
gab ihnen dann durch mein Stillschweigen zu verstehen, dass sie sich entfernen
könnten. — Mir lag vor allen Dingen daran zu wissen, ob ich Aussicht
hatte, hier meinen Zweck zu erreichen. Meine Ungeduld liess mich
nicht bis zum folgenden Tage warten; schon gegen Mittag sandte ich den
indischen Diener, welcher sich mir durchaus dienstbar erweisen wollte, und
mich besonders dadurch sehr ennuyirte, dass er ein kauderwelsches Englisch
sprach, womit er sich sehr brüstete, und welches ich fast immer von ihm
hören musste, zu dem Priester der Johannisjünger, um ihn zu mir kommen
zu lassen. E r liess nicht lange auf sich warten. Es war ein Mann von etwa
40 Jahren, in der Tracht der vornehmen Beduinen mit braun und weiss gestreiftem
Mantel und einer Kefije, einem dreieckigen Tuch um den Kopf.
Sein Aeusseres war angenehm, in seinem Gesicht spiegelte sich Gutmüthig-
keit gepaart mit Schlauheit. Schon in Bagdad hatte man mich vor der letztem
gewarnt, und mir erzählt, dass früher 2 Engländer bei ihm gewesen
wären, welche gewünscht hatten, den Glauben und Kultus seiner Secte zu
studiren. E r hatte sie mehrere Monate mit Versprechungen hingehalten,
ihnen viel Geld entlockt, und doch wenig oder gar nichts von dem beigebracht,
was sie zu wissen begehrten. Eingedenk der Lehre „Seid klug wie
die Schlangen, aber ohne Falsch wie die Tauben“ nahm ich mir sogleich
vor, nur Wahres ihm zu sagen, aber zu verschweigen, was mir nachtheilig
sein konnte. Mit Freundlichkeit kam er mir entgegen, mit Freundlichkeit
nahm ich ihn auf. Nachdem wir uns begrüsst, und uns gegenseitig nach
unserm Befinden erkundigt hatten, sagte er mir zu meinem nicht geringen
Schreck dass er schon von meiner bevorstehenden Ankunft und meinem
Zweck von Bagdad aus unterrichtet worden sei. Diess forderte mich zu
doppelter Vorsicht auf. Ich übergab ihm den Brief von Agha Chatschik,
und er erklärte sich sogleich zu meinen Diensten bereit. Auffallend war
mir aber, dass er vorher mich fragte, ob ich Ju d e sei, ob ich es gewesen sei,
oder ob meine Eltern oder deren Vorfahren aus jüdischem Geblüte ges
t am m t ? E rst, nachdem ich diess Alles mit gutem Gewissen verneinen
konnte und verneint hatte, gab er mir seine Zusage. Ich meinestheils verschwieg
ihm, dass es meine Absicht sei, die Eigenthümlichkeiten seiner Glaubenslehre
so wie seiner Gebräuche kennen zu lernen, und dass ich vornehmlich
aus diesem Grunde die Reise von Beirut bis dahin unternommen habe,
weil ich mit allem Grand fürchten musste, dass er dann weit zurückhaltender
sein, oder doch seine Forderungen für den Unterricht viel zu hoch stellen
würde. Ich sagte ihm bloss, dass ich Philolog und zwar vorzugsweise
Orientalist sei, dass ich mich mit mehrem orientalischen Sprachen beschäftigt
habe, und nun auch die seiner Secte kennen, zu lernen wünsche. Auf
diese Weise, so calculirte ich, musste er mir ihre heiligen Schriften vorlegen,
da ihre ganze Litteratur sich nur auf diese beschränkt; er musste sie mit
mir lesen, und, indem er sie mir erklärte, mich mit ihren Glaubensartikeln
bekannt machen. Der Erfolg hat gezeigt, dass ich mich in meinen Erwartungen
nicht getäuscht hatte. E r hat fast alle ihre Schriften nach und nach
mit mir gelesen, und ich kam zuletzt so weit, dass ich besser als alle Laien
und als die meisten Priester sie verstand. Ihm war diese Erklärung von
meiner Seite sehr willkommen, da er auf diese Weise sich mit der Hoffnung
schmeichelte, viele Jahre lang einen bedeutenden Gehalt von mir zu beziehen.
Denn er stellte seine Forderangen sehr hoch, ich musste ihm über
50 Thlr. monatlich zahlen; und, als er mich fragte, wie lange ich bei ihm
Unterricht zu nehmen gedenke, und ich ihm entgegnete, dass ich nicht länger
als 2 Monate dort bleiben könnte: so lächelte er, und meinte, dass diess Ok
aum für die ersten Anfangsgründe genüge. E r erzählte mir dabei, sein
Vater habe den frühem englischen Generalconsul, Col. Taylor, 12 Jahre
lang unterrichtet, und diese seien kaum hinreichend gewesen, um denselben
völlieo- in alle ihre MVysterien und Kenntnisse einzuweihen. Denn, sagte er,
alle Andersgläubigen müssten reisen und die Schriften der verschiedenen