
Am Morgen des 29. April, Sonntag, regnete es wieder sehr stark,
und hatte schon um 1 Uhr in der Nacht begonnen. Diessmal ging auch der
Regen wieder durch das Zelt, und auf mein Bette, so dass Alles durchnässt
wurde. Nach einiger Zeit liess er zwar am Morgen nach, kam aber mit
Sturm wieder, -so dass wir nicht fort konnten. Endlich gegen Mittag schien
das Wetter sich aufzuhellen. Hamsije, der Koch, wurde vorausgeschickt,
um bei dem englischen Viceconsul — der eigentliche Consul, Mr. Very,
war 2 Monate vorher gestorben — ein Logis zu bestellen, und zu besorgen,
dass der Pascha für uns ein Thor offen lasse; denn es ist Kegel in der T ü rkei
, dass in allen Städten sämmtliche Thore mit Untergang der Sonne geschlossen,
die Schlüssel dem Gouverneur übergeben, und erst mit Sonnenaufgang
zum Oeffnen wieder abgeholt werden, so dass es eigentlich keinem
Menschen verstattet ist, während dieser Zeit eine Stadt zu betreten. Wir
liessen möglichst schnell aufpacken, aber, so wie wir uns auf die Pferde
setzen und abziehen wollten, erneuerte sich der Sturm und Kegen mit solcher
Heftigkeit, dass ich, zumal sie uns gerade entgegen kamen, nur mit
der grössten Anstrengung im Stande war, mein Pferd von der Stelle zu
bringen. 2 Stunden lang hielt dieses Wetter an, endlich klärte es sich auf;
ich war trotz meiner dicken Abaje (Mantel) bis auf die Haut durchnässt,
und musste mich durch die Luft trocknen lassen. Nach etwa 3 Stunden
kamen wir an eine Mühle, 'und ungefähr 1 Stunde später an eine zweite.
Der Weg war kothig, schlüpferig und voll Wasser. So ging es auf hügeligem
Terrain fort; nach 5 Stunden kamen wir an das Dorf Hailan, welches
rechts vom Wege liegt, darauf bei einem halb zerstörten Dorfe vorüber, wo
einige Ueberreste von alten Bauten, Säulenfragmente u. s. w. lagen; zuletzt
erreichten wir die Gärten, welche sich ungefähr 2 Stunden lang an den
Ufern des Koik hinziehen. Der Weg wurde sehr steinig, holperig, schwierig,
theilweise überschwemmt, theilweise gepflastert, anscheinend von den alten
Römerzeiten her, und endlich gelangten wir gegen 9 Uhr Abends nach
Häleb, dessen finstere, holperige Gassen wir mit Lebensgefahr durchritten,
bis wir das für uns bestimmte Haus, Chan tä f erreichten, wo wir bei dem
italienischen Arzt Dr. Salina eine freundliche Aufnahme und gute Zimmer
fanden.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Häleb, und Reise von da über Beirut bis Alexandrien.
Hier hatten wir Zeit auszuruhen von den nicht geringen Strapazen
der fast dreiwöchentlichen Reise, welche durch die ungewöhnlich ungünstige
Witterung in dem Monat April noch bedeutend vermehrt worden waren,
da wir von da über Alexandrette nach Beiriit gehen wollten, und das
nächste Dampfschiff erst den 12. Mai wieder von da abging. Noch am
2. Mai regnete es am Nachmittag kurze Zeit.
Es war damals ein reges Leben in Häleb. Col. Brett war von der
englischen und türkischen Regierung beauftragt Basch bosuk’s anzuwerben,
und Mr. Barker, Bruder des englischen Viceconsuls, Pferde und Maulthiere
zu kaufen, um die Einen wie die Ändern über Konstantinopel nach der
Krim zu bringen.
Den 3. Mai gingen wir in die Qal’ah (Festung), um welche herum
die Stadt gebaut ist, so dass sie ziemlich in der Mitte derselben liegt. Der
Berg, auf dem sie sich befindet, ragt hoch über die Stadt empor. Sie scheint
sehr alt zu sein. Einzelne Kanonenläufe lagen da, von denen behauptet
wird, dass sie von dem Mamlukensultan Kalaün herrühren, der 678 — 89
d. H. oder 1279 — 90 n. Chr. regierte! !J Durch ein festes von Quadersteinen
erbautes Thor, über welchem ich las, dass es von Melik el Aschraf
(dem Aijubiden?) erbaut, und von Melik et Tähor (Bibars) restaurirt worden
sei, gelangten wir über eine mit Bretern belegte Tiefe, wo wahrscheinlich
früher eine Zugbrücke gewesen war, zu einem zweiten Thor und Gewölbe,
neben welchem vielleicht ein ehemaliges Gefängniss oder Wachstube war,
und dann in das Innere, welches eine Menge Ruinen von Gebäuden aus
Quaderstein zeigten. Von den verschiedenen Seiten der Brustwehr konnten
wir nach und nach die ganze Stadt übersehen. Die Festung selbst ist an
allen Seiten schroff abgeschnitten und mit Quadersteinen die Aussenseiten