
Zweites Kapitel.
Heise von Häleb bis Süerek.
Nachdem wir noch einige Besuche gemacht, wollten wir Sonnabend,
den 19. November, schon früh vor Sonnenaufgang Häleb verlassen, kamen
aber erst Nachmittag um 3 Uhr fort, und mussten uns begnügen, eine nur
kurze Tour von 3 Stunden zu machen. Wir ritten über hügeligen und steinigen
Boden in geringer Entfernung von dem Flüsschen Qoeq, an dessen
Ufern viele Bäume, namentlich Pappeln standen — in der Nähe waren auch
viele Gärten, d. h. ummauerte oder umzäunte Baumanpflanzungen, in denen
gejagt wurde —■ und kamen gegen Sonnenuntergang in das Dörfchen Hei-
län. Kurz vorher kamen 2 bewaffnete Reiter auf uns losgesprengt, die uns
visitiren wollten. Eigentlich war es aber nur auf ein Bakschisch abgesehen,
das sie auch trotz der beiden Kawasse, welche wir mit uns hatten, von uns
erpressten. Die Bewohner des Dorfes gestanden uns selbst, dass es sehr
unsicher bei ihnen sei; daher liessen wir alle unsere Sachen in die Hütte
bringen, in welcher wir unsere Betten aufschlugen. Die eine Hälfte der
Häuser war von Stein und Lehm erbaut mit zuckerhutförmigen Kuppeln,
die andere Hälfte bildete den Uebergang von Zelten zu Häusern, indem die
Seitenwände von Stein, Lehm oder Strauchwerk aufgeführt waren, die
Decke aber durch ein schräges Zelttuch gebildet wurde. Am nächsten Morgen
hatte ich selbst Veranlassung, mich von der Unsicherheit zu überzeugen,
da mir der Hauswirth in eigner Person in einem unbewachten Augenblick
meinen Tabaksbeutel, den ich in Ghasir mit silberner Zange und Räumer
für 50 Piaster (3 Thaler) gekauft hatte, stahl. Natürlich läugnete er es
standhaft, und gab ihn nicht wieder heraus, erhielt aber dafür auch trotz
allem Klagen und Schreien kein Bakschisch für die Beherbergung.
Sonntag, den 10. November, ritten wir durch ein ebenfalls hügeliges
und mitunter steiniges Terrain, el Kül genannt, erst nördlich, dann nordäetlich,
kamen nach i/2 Stunde nach dem Dorfe Ras el Kül — in der Ferne
sahen wir im Westen die Dschebäl el Jesidije ,',das Jesidengebirge“ — frühstückten
an dem Ufer des schmuzigen, schlammigen Qoeq, welcher von
Aintäb kommt, nachdem wir vorher eine Mühle mit mehrern Zelthütten
berührt hatten, und waren 1 Stunde nach Mittag in dem 6—7 Stunden von
Heilän entfernten Dorfe Achterin oder Tachterin, wo gegen unsern Willen
die uns vorangeeilten Mucker schon abgeladen hatten, und wir also unser
Nachtquartier aufschlagen mussten. Seit unserer Abreise von Häleb war
und blieb der Himmel bedeckt — die Barometer waren schon den 18. sehr
gefallen — doch hatten wir nur % Stunde lang unbedeutenden Regen.
Aüch dieses Dorf besteht aus lauter zuckerhutförmigen Hütten, die von
Stein und Lehmziegeln erbaut, sich, aus der Ferne gesehen, ganz wunderlich
ausnehmen. In einem solchen geräumigen Hause, welches 3 Kuppeln hatte,
stiegen wir ab. Es war das Haus des Scheichs oder Dorfschulzen, Omar,
das reinlichste und ansehnlichste. E r sagte uns, das Dorf heisse eigentlich
Tachterin, werde aber gewöhnlich Achterin genannt, und gehöre zu dem
District von Killis, welcher wieder unter dem Paschalik von Häleb steht.
Nach seiner Versicherung zahlte sein Dorf früher nur 1500 Piaster (etwa
94 Thaler), seit 4— 5 Jahren aber 20,000 P. (gegen 1250 Thlr.) an
jährlichen Steuern. Dieser Druck soll von Mahmud Efendi, dem Sanduk
Emini d. i. „Schatzmeister“, und von Saleh, einem Mitglied des Medschlis,
herrühren. Genauer bezeichnet gehört es zu dem Bezirk Beläd Asäs, zu
welchem auch el Kül gehört. Alle Dörfer dieses Bezirks sind gleichmässig
gedrückt. Killis hat 1 Muteselliin, welcher in Konstantinopel ernannt wird.
Die zu diesem District gehörigen Dörfer heissen: Teil Erfät, Deir el sche-
mäl, Scheichjän, Kefalnaja, Kulsurudsch, Häsin, Fafin, Jasär, Ber’än, Sija-
dlje, Baregh, Baghlualde, Ehtemlad, Suaran, Aresas, Manigh, Scheich Aise
u. s. w. Alle diese Dörfer, zusammen 65, sind von arabischen Fellah’s belo
h n t; von Tachterin an beginnt die turkmanische und kurdische Bevölkerung.
In Tachterin sind 120 männliche Bewohner.
Montag, den 21. November, machten wir uns schon 1 Stunde vor Sonnenaufgang
auf den Weg, kamen nach i/g Stunde bei einem Dorfe vorbei,
welches der Mucker Turkman nannte, 1 Stunde später bei Teil Aar oder
Tisch ohan Baghi — denn beide Namen wurden demselben gegeben — ferner
bei Ajescha, Chall oghlu, Bäb el elim, Hadschi Wely, Oeküs ölderen, Qara
JBos, Sadschur, Schiwib vorbei, und endlich nach Sambur, eigentlich Scheich