
Schlosse in Samarcänd bringen liess. Was ans diesen geworden, ob sie dort
zu Grunde gegangen, ob sie noch vorhanden sind? niemand hat es erfahren,
und das Letztere ist desshalb um so wahrscheinlicher, weil Samarcänd seit
jener Zeit nicht erobert worden ist. Längst schon wünschten die Armenier,
welche mit so vieler Liebe, wie an ihrem Vaterland, ihrem Kultus und ihrer
Sprache, so an ihrer alten Litteratur hängen, genauere Erkundigungen
darüber einzuziehen, aber die Unzugänglichkeit dieses Gebiets machte es
ihnen unmöglich. Endlich entschloss sich Ohatsehatur Hohannesean (Jo-
hannesean d. i. Sohn des Johannes), aus Ispahän gebürtig, mit Verläugnung
seines Glaubens, das Unternehmen zu wagen. Ausgerüstet mit einer gründlichen
Kenntniss des Arabischen und Persischen, so wie anderer Sprachen
des Orients, und bekannt mit allen Gebräuchen und Gebeten, kurz mit der
ganzen Lebensweise der Muhammedaner, reiste er im J . 1836 nach Cal-
cutta, wo er in den Dienst der englisch-ostindischen Compagnie trat. Später
unternahm er, wahrscheinlich im Aufträge der Compagnie, eine Reise
durch Afghanistan nach Samarcänd. E r trug nach Art der Scheichs- einen
weissen Mantel, hing an seinen Hals 99 drei- und sechseckige Amulete, auf
seine Brust Edelsteine mit magischen Zeichen, und ähnliche Siegelringe
trug er an seinen Eingern. Langsam durchzog er so Städte, Dörfer und
Einöden, und vergass nicht, die Gräber der muhammedanischen Heiligen
unterweges zu besuchen, an denselben Muhammed und ’Aly anzurufen, und
Stellen aus dem Qor’än zu recitiren. Alle Scheichs, die er traf, gaben ihm
Empfehlungsschreiben mit; und so erreichte er nach 1 Jahre Samarcänd,
wo er von den Beamten, wie von den Gelehrten ehrenvoll empfangen wurde.
Hier erkundigte er sich nun nach der Bibliothek Timur’s, und erfuhr , dass
sie mit der grössten Sorgfalt in einem Schlosse auf bewahrt werde f wohin
man nur mit der schwer zu erlangenden Erlaubniss des Grossehan’s von
Bochara oder seiner obersten Beamten gelangen könne; auch versicherte
man ihm, dass die, welche den Versuch gemacht hätten, dahin zu gehen,'
entweder gestorben oder geisteskrank geworden seien. Chatschatur liess
sich dadurch nicht irre machen. E r wendete sich an die Minister, welche
ihm dieses Vorhaben auszureden suchten. „Man hört dort“ ,- so sagten sie
ihm, „sonderbares Getöse und heftige Kämpfe zwischen Engeln und Dämonen,
von denen Jene die heiligen, Diese die Bücher der Ungläubigen
bewachen. Die Letztem sind zahlreich, sie werden Dich ohne Zweifel erdrosseln.“
Chatschatur erwiderte, dass er mit Hülfe der wunderbaren
Amulete, welche er aus Mecca gebracht, im Stande sei, der Macht der Dämonen
Trotz zu bieten. Endlich gab man ihm die ersehnte Erlaubniss.
Begleitet von einigen Dienern der Minister, welche den Wächtern des Schlosses
den Befehl übergaben, Chatschatur einzulassen, ging er dahin. Auf vielen
Umwegen über dornige und verschüttete Pfade gelangte er in das alte Schloss,
dessen grossè Säle von gewaltigen Fledermäusen bewohnt waren, welche bei
ihrem Eintritt in Massen aufflatterten, und durch ihren Lärm die Veranlassung
zu dem Volksglauben gaben, dass es das Geschrei der Dämonen sei.
Nachdem sie das Schloss durchschritten hätten, kamen sie an eine Art von
Keller' oder Gewölbe. Dieses durch groSse Schlösser verwahrt, war der
Aufbewahrungsort für die Bibliothek. Chatschatur warf sich nieder, und
verrichtete sein Gebet. Die Wächter übergaben ihm die Schlüssel, und
sagten ihm: „Wenn Gott mit Dir ist, so kannst Du das Thor öffnen und
eintreten; wir ziehen uns jetzt zurück, und werden nach einer Stunde zurück
kommen, Dich todt oder lebendig wieder aufzusuchen.“ Mit grösser Muhe
gelang eS ihm, die verrosteten Schlösser zu öffnen, und das Thor so weit
aüfzuschieben, dass er sich hineinzwingen konnte. Hier sah er nun Tausende
von Büchern verschiedener Grösse; unordentlich über einander geworfen,
und im Staube liegend. Zuerst fiel ihm ein Buch von enormer
Grösse auf; es war 1 Fuss dick, 6 Fuss lang, und 4 Fuss breit. E r versuchte
den Deckel aufzüschlagen, er zerbröckelte verfault unter seinen
Händen. Es war eine Handschrift auf Pergament geschrieben, in griechischen
Lettern, aber armenischer Sprache, und trüg den Titel ’„'Geschichte
der alten Heroen aller Nationen, verfasst von den Priestern des Tempels
der Diana und dès Mars:“ Unfähig,- dieses Buch wegzunehmen, wendete er
sich nach einer ändern Seite. Das erste Buch, welches er aufschlug, war
ein Geschichtswerk ohne Titel; ebenfalls armenisch, aber in syrischen Lettern.
Auf einer ändern Stelle fand er ein georgisches Buch, dann die armenische
Geschichte des Eliséus, eine armenische Bibel, arabische Gedichte,
mehrere griechische Werke, und unter diesen auch die Werke des Origenes.
Kaum aber hatte er 20— 30 verschiedene Werke aufgeschlagen und näher
betrachtet, als die festgesetzte Zeit vorüber war, und der Ruf der Wächter
ihn in seinen Nachforschungen störte. Atheinlos stürzt er heraus, und ruft
nach Wasser, um durch die gesetzliche Abwaschung sich von der Berührung
der unheiligen Schriften zu reinigen, und sagt den Wächtern, sie konnten
ohne Scheu das Thor schliessen, da es ihm gelungen sei, die Dämonen m