
Allgemeine Abspannung, Mattigkeit, erschwerte Respiration, alle Welt
war entkräftet; heftige Dysenterien, bösartige Fieber, — gastrorrhagies —
völlig ungegründetes Gericht von der Cholera.
Im August 1844: Die ersten Tage dieses Monats zeigten dieselbe erstickende
Hitze wie der vorige; später, obgleich das Thermometer nur wenige Grade
sank, wurde die Respiration wieder frei, und Alle fühlten ein merkliches Wohlbehagen
durch die heilsame Veränderung in dem Zustande der atmosphärischen
Luft. Die frischen (kühlen) Winde von West und Nordwest verursachten diese
Verbesserung.
Die Krankheiten, welche zu Anfang des Monats noch fortdauerten, nahmen
in der Folge einen mildern Charaeter an, seitdem es frischer geworden war;
aber es zeigten sich von Neuem intermittirende Fieber.*)
*) Z u r Z e it meines Aufenthaltes in Damascus in dem J . 1852 — 53 schwankte das
Thermometer in den Monaten J u li und August um Mittag zwischen 23 — 28 °j des Morgens
15 — 18° K., in den ersten Tagen des September h a tten wir Ein Mal am Tage bei
ganz umwölktem Himmel und fernem Donner soga r 34° im Schatten — beiläufig gesagt,
die g rösste H itz e , die ich gefunden h a b e ; am 20. September in M a lü laW -a b e r nicht
in Damascus, wo d e r Himmel ste ts h e ite r geblieben w a r — kam der erste Regenschauer,
den l.N o v h r. s ta rk e r Wind und W e tte rleu ch ten , und den 2. Novbr., Tags daräuf, der erste
s ta rk e , anhalten d e Regen, dann bis zu dem 25. Novbr. Stets Sonnenschein, den 25. abwechse
ln d Regen und Sonnenschein, den 26. 2 Stunden lan g Gewitter m it sta rk em Regenguss,
d a rau f Regen 5 T age lang mit wenig Unterbre chung, vön da an bis zum 9. Decbr. fortwähren
d Sonnenschein; an diesem Tage von Mittag bis M itte rn a ch t s ta rk e r R e g e n , den
10. schön, den 11. von Mittag bis M itte rn a ch t an h a lten d e r Regen, den 12. Sonnenschein,
den 13. den ganzen Tag Regen, am frühen Morgen auch Schneeflocken, da das Thermometer
in diesem Monat bis 4 ° herab san k , vom 14.— 27. Sonnenschein, vom 28. D e cb r —
18. J a n . fast fortwäh ren d e r Regen, dann wieder Sonnenschein; das Thermometer fiel des
Morgens E in Mal bis — 1 ° , d ah e r Reif, doch die Mittage heiss, den 22. und 23. J a n . des
Morgens leichte G ew itte r, den 24. s ta rk e r N ebel, der sieh bei Vollmondschein wieder
a u fk lä rte , Veilchen und Narcissen b lü h ten , Monatrosen hörten nich t au f zu b lü h en , den
26. wieder b e d e c k te r Himmel, dann wieder schöne warme Tage, wiewohl es noch in den
ersten Nächten des F e b ru a r gefroren h aben s o llte ; den 24. F eb r. blühten die Aprikosen.
D ie Reg en z e it schien nun lä n g s t vo rü b e r zu se in , doch s te llte sich noch im März u n e rw
a rte t vom 10. — 15. an h a lten d e r Regen wieder ein. -77 Die Damascener geben je d e r
d e r 4 J a h re s z e ite n n u r 40 T a g e , denen sie dann noch 50 U ebergangstage hinzufügen.
So d au e rt d e r F rü h lin g vom 21. März his E nd e A p ril, die Tage a b e r , welche den Ueber-
gang vom F rü h lin g zum Sommer bilden, von da bis zum 21. Ju n i, und so fo rt; sie nennen
d ah e r die je d e r J a h re s z e it eigenen Tage NH ,,die V ie rz ig e r,“ die Uebergangs-
tag e ab e r ,)<üe F ü n fz ig e r“ — die e rsten 3 — 4 Tage, des \t> l5 Mä rz , nennen
sie j d. i. die T ag e , welche der JoLjbAv, F e b ru a r, sich von dem Adar
a u s b itte t, um noch Regen und Schnee zu bringen. — Um an k a lten W in te rtag en sich zu
erwärmen, h a tm a n , wie in Ita lie n , Kohlenbecken, welche in d e r Mitte der Zimmer aufges
te llt werden; man n en n t sie (JkßjuC. Wegen der F eu ch tig k e it d e r L u ft is t namentlich der
F u ssb o d en d e r Z immer, welcher aus b losser E rd e , Stein oder E s tric h be steh t, seh r k a lt,
d ah e r ü b e ra ll Strohmatten und Teppiche liegen. P .
Kurz e U e b e r s ic h t.
Die menschliche Organisation leidet in Damascus durch die allgemein und
überall verbreitete Verpestung (infection), so wie durch den Einfluss der feuchten
Wärme, die das Ende des Herbstes, wie das des Winters erzeugt, daher die
Aufregungen (irritations, Reizungen), die gastrischen Darmentzündungen (les
inflammations gastro-intestinales), welche die Gestalt von Wechselfiebern,
Diarrhöen, Dysenterien annehmen. Dazu kommen die Masern (rougeoles) und
andere symptomatische Hautausschläge. Da Viele auf den Dächern schlafen,
und jede Nacht ohne Ausnahme ein dichter Nebel fällt, welcher die Stadt einhüllt,
so entstehen daraus heftige Ophthalmien. Später, wenn die Kälte und
Feuchtigkeit der Nacht, und die Hitze des Tages mit starkem Regen wechseln,
werden die Respirations-Organe gereizt, entzündet, es entsteht Andrang (se
congestionnent.par le trouble et l’irrégularité des fonctions de la peau) durch die
Störung und Unregelmässigkeit der Hautthätigkeit: so erwachen die Symptome
von alten Lungenentzündungen, es bilden sich neue, in der Folge kommen
noch dazu die Kehl- und Luftröhren-Bräune (les angines gutturales et bronchiques),
der Husten, der Schleimauswurf, die Engbrüstigkeit (dyspnée), der
Auswurf (crachemens) u. s. w. Endlich, wenn die Winterkälte die Hautfunctionen
fast auf nichts redueirt hat, wenn das innere Leben thätiger geworden ist,
wenn die schweren und gefütterten Kleider der Gesunden sie dadurch empfindlicher
gegen den geringsten Eindruck der Kälte machen, sobald sie sich
nur etwas weniger bedecken, stellen sich unmittelbar rheumatische Schmerzen,
Schmerzen der Glieder, Gelenke, die Gicht ein.
Bei den zahlreichen Annen in Damascus, welche, eingepfercht in dunkle,
feuchte, schmuzige Wohnungen, schlechte Kost haben, sieht man nicht nur dieselben
Krankheiten mit einer entsetzlichen Schnelligkeit überhand nehmen,
sondern es bereiten sich auch langsam die Affectionen des lymphatischen
Systems vor, welche oft schon angeerbt sind.
Im Frühling, wenn die Circulation thätiger wird, so dass sie bei gesunden
und gut organisirten Individuen eine heilsame Reaction bewirkt, findet gerade
das Gegentheil statt bei denen, die in einem ändern Zustand sich befinden.
Diese letztem werden gerade bei der Ausübung der Respiration einen Zwang
empfinden; bei Einigen wächst das Herz (s’hypertrophie) unnatürlich, oder
erweitert sich gleich den fetten Gefässen; diese Organe werden gereizt, entzündet,
die Circulation wird auf eine idiopathische Weise gestört, daher Engbrüstigkeit,
Ohnmächten, Wassersüchten, Ergiessungen (épanchemens oedémateux)-
unter der Haut erfolgen. Wenn die Jahreszeit weiter vorgeschritten ist, so entstehen
durch den Genuss unreifer Früchte Flüsse (fluxions) — Zahnfleischentzündungen
gengitives (?) — Blutgeschwüre (furoncles), Würmer (vers) u. s. w.
Da die Hitze diesen krankhaften Einflüssen noch eine neue Intensität hinzufügt,
so darf man sich nicht wundern, wenn man schwere, tödtliche Dysenterien,
verderbliche Fieber sich erzeugen sieht. Zu allem Diesen kommt noch
der entsetzliche Missbrauch der Nargîle’s, sowie der übermässige Genuss von
Wein und Branntwein, und man wird sich einen ungefähren Begriff von dem
grossen Kreis der Krankheitsursachen machen können, welcher die Bewohner
von Damascus einsehliesst.
P e t e r m a n n , Reise im Orient. II. 28