
dass sie nur noch auf eine Eskorte warteten, welche sie sicher in ihre Wolin-
plätze zurück brächte. Man ersieht aus dieser Anecdote wenigstens, in
welchem Kredit sie überhaupt stehen. — Bagdad war fortwährend von persischen
Pilgern heimgesucht, und man berechnete, dass in diesem Jahre
allein an 60,000 derselben durchgekommen waren; so viele Teskere’s (Bescheinigungen)
sollten von der Quarantaineanstalt in Chänekln ausgestellt
worden sein. Uebrigens war und blieb den ganzen Winter hindurch alles
Reisen in der Umgegend von Bagdad gefährlich. Ein Kaufmann aus Sulei-
manije machte mit uns von Chänekin aus die Reise nach Bagdäd zu Fuss,
um von dem dortigen Pascha, welchem in militärischer Hinsicht der von
Mosul unterworfen ist, Hülfe zu erbitten, da ihm seine sämmtlichen Waaren
geraubt worden waren. Offenbar war diese Reise vergeblich, und der arme
Mann wird ärmer noch zurückgekehrt sein, als er gekommen war. Der
Pascha von Mosul hatte weder Energie noch Truppen genug, um den kurdischen
Aufstand zu unterdrücken. Wie sicher man hier zu Lande selbst in
friedlichen Zeiten reist, lässt sich daraus entnehmen, dass im vorhergehenden
Jahre ein Knabe aus Ana (am Ufer des Euphrat), welcher für 2 oder 3 Piaster
täglich bei Mr. Brühl die, Banka während der Sommermonate gezogen
hatte, als er zurückging, diesem versicherte, dass er seine geringe Ersparniss
sammt den wenigen Kleidungsstücken, die er besass, bei einem Kaufmann
in Bagdäd deponiren, und buchstäblich ganz nackt in seine Vaterstadt zurück
gehen werde. In diesem Winter war aber die Unsicherheit noch bei
Weitem grösser, und gegen Ende November erfuhren wir, dass eine grosse
Karawane, welche von Hilleh nach Bagdäd gehen wollte, von den Schem-
mär überfallen, und ganz ausgeplündert worden war. Zwar sollten sich die
Kurden von dem Stamme J ä v oder Dschäv wieder unterworfen, und den
Tribut bezahlt haben; dagegen wurde uns aber berichtet, dass in Sacho
(nordwestlich von Mosul) die Kurden aufgestanden seien, ihren Gouverneur
gefangen genommen und ermordet, und so alle Verbindung mit den westlichen
und nordwestlichen Districten unterbrochen haben. Gegen die Beduinen
schickte der Pascha Truppen aus, welche eine Anzahl derselben mit
ihren schönen Pferden, die dadurch sehr billig zu kaufen waren, gefangen
nahmen. Trotzdem hörten wir bald darauf, dass wieder eine Karawane
persischer Pilger, ebenfalls zwischen Bagdäd und Hilleh angefallen und all
ihrer Habe beraubt worden war. Aber die Araber plündern nur, ohne den
Reisenden sonst ein Leid zuzufügen, wenn diese sich nicht zur Wehr setzen,
und nicht unglücklicherweise Einen oder Mehrere von ihnen tödten, da dann
das Gesetz der Blutrache sie nöthigt, ein Gleiches zu thun. In ihnen ist ein
wahrhaft ritterlicher Sinn, und trotz ihres Räuberhandwerks, das sie gleich
den Raubrittern des Mittelalters betreiben, viel Edelmuth. Sie betrachten
das Land, welches sie durchziehen, als ihr Eigenthum, und verlangen daher
von jedem Reisenden einen Durchgangszoll. Wenn man diesen ihnen giebt,
d. h., wenn man vorher mit ihrem Scheich unterhandelt, und nach gemeinschaftlicher
Uebereinkunft ihm eine bestimmte Summe zahlt, so reist man
durch dessen Gebiet so sicher, wie in Europa; thut man diess aber nicht, so
nehmen sie in der Regel Alles, was man hat. Frauen und Mädchen sollen
sie nie plündern, und es wurden mir selbst Beispiele erzählt, dass sie bei
vollständiger Plünderung von Karawanen, diese unangetastet weiter ziehen
liessen. Der Sage nach beruht diess_ darauf, dass ein Araber, der einst eine
Däme beraubt hatte, noch an demselben Tage umgekommen war. Nicht so
die Kurden, welche von Humanität bei ihren Raubzügen nichts wissen wollen,
Bewaffnete und Y\re 1 irlose ohne Unterschied des Alters und Geschlechts
niedermetzeln, und mit wahrer Henkerlust die Unglücklichen, die in ihre
Gewalt kommen, auf die grausamste Weise martern und morden sollen. Die
abscheulichsten Grausamkeiten hatten sie früher unter Peder Chan Bey, der
in eine Donaufestung später exilirt wurde, gegen die Nestorianer ausgeübt;
jetzt wurde ein Gleiches von ihnen als gegen Christen aller Secten ausgeübt,
berichtet. Zwar möchte ich den sicher übertriebenen Angaben orientalischer
Christen, die ich später aus ihrem eigenen Munde vernahm, nicht
vollkommenen Glauben schenken, aber ebenso wenig kann ich der Versicherung
der europäischen Consuln in Mosul beipflichten, dass Alles diess
erdichtet gewesen sei. In Betreff der vorhin erwähnten Eroberung von Sacho
erfuhren wir später Folgendes: Ardeschir oder richtiger wohl Jesdenschir
Böy, ein Neffe oder doch naher Verwandter jenes berüchtigten Peder Chan
Bdy, war mit grossem Gefolge- nach Mosul gekommen, und hatte dem dortigen
Pascha versichert, dass er, sofern'er ihm Geld und Offiziere geben wollte,
im Stande sein würde, 10,000 Kurden gegen die Russen in das Feld zu
stellen. Dieser, erfreut über den erwünschten Vorschlag, ging sogleich darauf
ein, und gab ihm Beides an Offizieren hat bekanntlich die türkische
Armee grossen Ueberfluss. — Unterwegs wurden die türkischen Offiziere
niedergemetzelt; Jesdenschir Bdy stellte sich an die Spitze der Kurden, von
denen er an 16 — 18,000 Mann zusammengebracht haben sollte, und zog