
Fünftes Kapitel.
Reise von Mösul bis Bagdad.
Ich wünschte nun zwar, einige Tage von der langen und beschwerlichen
Reise auszuruhen, und Mr. Place gab mir freundlichst die Versicherung, dass
ich so lange bei ihm bleiben könnte, als es mir beliebte: allein meine Baar-
schaft war durch die Ankäufe, welche ich unterwegs an Handschriften und
Münzen gemacht hatte, fast ganz erschöpft, und erst in Bagdad durfte ich
hoffen, eine Anweisung zu finden. Ich musste daher suchen, diesen Ort so
bald als möglich zu erreichen, und glücklicherweise waren 2 Gelegenheiten
dazu vorhanden. Die eine war bequem, sicher und schnell mit meinem bisherigen
Reisegefährten Mr. Boutcher, welcher für sich allein ein Kelek —
so heissen die Boote des Tigris 8S1 gemiethet hatte, die andere ebenfalls
sicher, weniger schnell und unbequem mit einem französischen und einem
ungarischen Arzt, einem griechischen Chirurgen, einem türkischen Offizier
und einem serbischen Diener des Pascha von Bagdad. Diese hatten nur 2,
Mr. Boutcher aber 4 Ruderer; der Letztere fuhr erst Montag Mittag ab, aber
Tag und Nacht, die Erstem schon am Sonntag, und zwar nur am Tage.
Trotzdem, dass ich dadurch ein grosses F e st versäumte, welches Mr. Place
Sonntag den 18. December gab, mit Musik und Feuerwerk, zu welchem er
den Pascha mit sämmtlichen türkischen und christlichen Notabilitäten eingeladen
hatte, und dass ich die Aussicht hatte, mich lange auf dem Tigris
herum zu treiben, war ich doch mit Rücksicht auf meine nur noch sehr
geringe Baarschaft genöthigt, mich den Aerzten anzuschliessen. Ich ver-
liess also Sonntag kurz nach 11 Uhr Vormittags das Consulat, und begab
mich an das Ufer des Tigris an die bezeichnete Stelle, in der Erwartung,
meine Reisegefährten, wie es verabredet war, zu der Abfahrt bereit zu
finden. Allein Keiner von ihnen war zu sehen, und das Boot selbst noch
nicht fertig. Diess war mir doppelt unangenehm, da ich, um vorher noch
meine Briefe nach der Heimath zu beenden, den Kaffee versäumt, und, um
nicht zu spät zu kommen, vor dem Frühstück mich aus dem Consulat begeben
hatte. Restaurationen giebt es bekanntlich in dem Orient nicht; glücklicherweise
war ein Cafdtier in der Nähe, bei dem ich einige Tässchen
schwarzen Kaffees mit obligatem Tschubuk schlürfte, und von meinem
Diener liess ich mir Brod, Käse und Rosinen zum Frühstück besorgen. Erst
4 Stunden später, die mir entsetzlich lang wurden, war Alles zur Abfahrt
bereit. Das Boot, oder vielmehr Floss, Kelek genannt, wurde erst
nach meiner Ankunft an dem Ufer zurecht gemacht. Es wurden zuerst
Bündel von 5f§-7 langen Rohrstangen, deren jede etwa die Dicke eines
Fingers hatte, an verschiedenen Stellen mit Bast zusammen gebunden, diese
der Länge nach neben einander gelegt, quer über diese, ebenfalls mit Bast
gebunden und an die" untern befestigt, ähnliche Rohrbündel in gleichen
Zwischenräumen, die die Weite einer grossen Fensterscheibe hatten, gelegt,
auf diese wieder lange dicke Balken, ebenfalls der Länge und Breite nach
gedeckt, und auf dieselbe Weise fest gebunden. Als diess fertig war, wurde
es in den Fluss geschafft, und nun band man an die untere Reihe der Rohrbündel
aufgeblasene und an 3 Stellen mit dickem Bindfaden fest zugebundene
Ziegenfelle, eines neben dem ändern, der Länge und Breite nach, so
dass dadurch das Fahrzeug auf dem Wasser erhalten wurde. Nachdem diess
geschehen, wurden dicke Breter, jedoch ziemlich sparsam, so dass nicht das
ganze Kelek damit bedeckt war, darüber gelegt. Die Ruderer, Kelekdschi s,
hatten lange Stangen, an denen unten an der einen Seite eine Art von Flügeln
angebracht war, gebildet von Rohr, welches der Länge nach durchschnitten,
mit Bast zusammengebunden, 2—3 Hände breit und etwa ®/4 Elle
lang war. An der obern Hälfte des Ruders war ein anderes Stück Holz so
an dasselbe gebunden, dass es mit diesem einen Haken bildete, der an einem
in dem Floss aufgerichteten dünnen Pfahle das Ruder festhielt. Meine
Reisegefährten, welche schon von Diarbekir bis Mosul auf einem Kelek
gefahren waren, hatten aus zusammengenagelten Bretern als Diele, daran
befestigten Stangen und darüber gelegtem Filz und Wachsleinwand sich eine
Art Hütte bauen lassen, welche gerade für sie hinreichte, mir aber keine
Aufnahme gewähren konnte. Ich musste daher vor der Hütte meine Matratze
auf die spärlich gelegten Breter breiten, deren Kanten mein Lager nicht zu
dem angenehmsten machten. Dazu kam, dass ich nach allen Seiten hin eingezwängt
war, so dass ich mit meinem Körper eine Ellipse zu bilden genö