
Da die Mandäer keine Gescliichtswerke haben, so ist ihre Geschichte,
die sich nur durch Tradition erhalten und fortpflanzen kann, natürlich mit
Erdichtungen aller Art angefüllt, die zum Theil den persischen angepasst
sind, und je weiter sie sich von ihrem Ursprünge entfernen, desto wunderbarer
werden. Sie fabeln auch viel von einem mandäischen Reiche, welches
von ungeheurer Ausdehnung sein, und noch heute existiren soll. Der
Priaster erzählte mir darüber Folgendes:
Nachdem die Mandäer aus Bagdad vertrieben waren, wendeten sich
Viele von ihnen nach Ahwäs, wo sie auch ihr Oberhaupt hatten. Doit
wurden sie von den Moslemen sehr bedrückt, daher sie sich gegen diese
erhoben. Ahwäs liegt hoch an einem Flusse, an dem schon von alter Zeit
her ein Wehr gebaut ist, um das Wasser zurück zu halten, und nach der
Stadt zu führen. Diess wurde eingerissen, die Mandäer bauten es wieder
auf, aber in der folgenden Nacht wurde es -wieder weggerissen, und diess
wiederholte sich jedesmal, so bald sie es wieder hergestellt hatten. Sie
stellten Wächter an den Fluss, und diese sahen, wie jede Nacht ein Dew
(Dämon) kam, ihr Tagewerk zu vernichten. Sie zeigten es ihrem Oberpriester
an, welcher Gebete niedersehrieb und auf den Damm warf, jedoch
ohne Erfolg. Dieser hatte eine Tochter von wunderbarer Schönheit. Sie
sagte ihrem Vater: „ich werde suchen, den Namen des Dew zu erfahren;
denn ohne Zweifel ist diess ein noch unbekannter Dew und Name, daher
deine Gebets- und Beschwörungsformeln nichts fruchten.“ Sie ging in der
nächstfolgenden Nacht mit ihrem Vater nach dem Damm, bat denselben,
sich ganz in der Nähe zu verstecken, und, so wie er den Namen des Dew
höre, denselben niederzuschreiben (in die Beschwörungsformel einzutragen),
da dann sogleich der Dew gefangen sein würde. Sie selbst ging auf den
Damm, entkleidete sich ganz, und erwartete den Dew. Endlich erschien er,
sah die schöne Jungfrau, und blieb vor Entzücken stehen.° 0 E r fragte sie,
was sie da wolle? Sie erwiderte, sie habe ihn erwartet, weil sie ihn liebe
und zu heirathen wünsche. E r wunderte sich darob, war jedoch sogleich
damit einverstanden. Sie sagte ihm nun: „Zuvor muss ich aber deinen
Namen kennen, damit ich weiss, woher du bist, und welches dein Geschlecht
ist?“ E r entgegnete ihr: „Schäm Bän ber Dschedschaua ist mein Name.“
So wie er denselben ausgesprochen, und der Vater des Mädchens ihn niedergeschrieben
hatte, war er gefangen. Man fragte ihn darauf, warum er denn
stets den Damm wieder eingerissen habe? E r antwortete: „weil diess meine
Arbeit, mein Geschäft ist.“ Darauf sagte er zu ihnen: Lasst mich frei, ich
werde euch an einen Ort bringen, wo keine Muhammedaner sind. An einem
Freitage werde ich wieder zu euch kommen; haltet euch da in euern
Häusern, und sagt nicht zu mir, dass ich warten soll.“ Sie gingen den Vertrag
ein, und liessen ihn frei. Ein ganzes J a h r hielten sie sich alle Freitage
zusammen — er kam nicht. Da sagten sie: „Diess ist einmal wieder eine
Teufelei gewesen, er hat uns belogen,“ und gingen an ihre Arbeit, auf ihre
Felder, in ihre Gärten u. s. w. Da erschien der Teufel wirklich, nahm die
ganze Stadt mit allen Häusern, Menschen und Vieh, was er vorfand, und
der Erde, auf welcher Ahwäs stand, welches damals mit der ganzen Umgebung
den Mandäern gehörte, mit sich fort in die Luft — nur die, welche
ausserhalb der Stadt waren, blieben zurück — und brachte sie in das Land
Bejädhije. Diess liegt weit entfernt im Moghreb (Afrika); der Erdboden
ist lauter Gold, und ein ewiger Frühling ist da. Dort setzte er sie nieder.
Vor etwa 255 Jahren kam ein Derwisch nach Basra (oder Quma), und
zeigte dort einem mandäischen Goldschmied eine goldene Tasse mit man-
däischer Inschrift, wobei er erzählte, dass er sie aus jenem Lande mitgebracht
habe. Dort sei ein Reich, in welches kein Fremder eingelassen
würde. An der Gärnze desselben habe er sich in einem steinernen Hause
bei einer Wittwe niedergelassen, und diese ihm einen weissseidenen Teppich
hingebreitet, und in goldenen Schalen Speisen und Wasser vorgesetzt. Die
Speisen habe sie mit 2 Stäbchen herausgenommen und ihm vorgelegt, damit
er ihre Schalen nicht verunreinige. E r war an ihrem Neujahrstage dort
gewesen. An diesem Tage dürfen sie nicht an das fliessende Wasser gehen,
und müssen sieh vorher mit Wasser versorgen. Sie leben in Gütergemeinschaft,
und lassen ihr Vieh stets im Freien weiden. Da sie an jenem Tage
nicht aus ihrem Bereiche herausgehen, und diess die sie umgebenden Beduinen
wussten, so benutzten sie dieses, um ihr Vieh, welches in jeder Hinsicht
vortrefflich war, ihnen zu rauben. Die Bewohner der Stadt sahen es
vom Weiten. Da ging ihr geistliches und weltliches Oberhaupt auf einen
hohen Ort in der Stadt mit seinem weissen Stab, und zog damit einen Kreis
in der Luft. Sogleich waren die Araber gefangen. Den folgenden Tag
gingen die Stadtbewohner hinaus, lösten die Fesseln der Araber, und bedeuteten
sie, dass sie die Räubereien nicht wieder unternehmen sollten, was
sie auch versprachen. Da sie den Derwisch nicht hineingelassen, ihm auch
nichts mitgetheilt hatten, so wusste er nicht, von welcher Religion sie seien.