
würdigste Zeuge endlich, ein Armenier, gab mir 8000 als die Zahl der dadurch
Getödteten an, und sagte mir, dass Schiräs eine Bevölkerung von
circa 30,000 Seelen habe, unter welchen nur 3 — 4 armenische Familien
seien. Man erzählte dabei einige wunderbare Errettungen: Ein Knabe ward
zwischen Balken liegend nach 7 Tagen noch lebendig ausgegraben. Eine
Mutter mit ihrem Kinde an der Brust ward verschüttet, die Mutter starb,
das Kind war aber am Leben geblieben. 4 Männer, welche zechten, wurden
so glücklich verschüttet, dass sie leben blieben, und sich mit den Ueber-
resteu der Tafel bis zu ihrer nach einigen Tagen erfolgten Ausgrabung erhielten.
-v- Der Anfang des Erdbebens war am Furchtbarsten gewesen, und
besonders darum so verhängnissvoll, weil es mitten in der Nacht kam, und
die Meisten im Schlafe erreichte. Es hielt auf diese Weise 2 Stunden lang
an, wobei-der Boden unaufhörlich schwankte, so dass man auch auf den
Gassen nicht gehen konnte. Fast kein Haus ist verschont geblieben, 1000
gänzlich eingestürzt, alle übrigen haben wenigstens Risse erhalten; auch
die armenische Kirche ist eingestürzt, und die wenigen hier ansässigen Armenier
haben seitdem nur einen Betsaal eingerichtet, in welchem der hier
wohnende Geistliche Gottesdienst hält.
Zehntes Kapitel.
Aufenthalt in Schiräs.
Wir ritten zuerst nach dem Zollamt, und würden vielleicht dort viele
Umstände gehabt haben, und lange hingehalten worden sein, hätte nicht der
reiche armenische Kaufmann, Chodscha Petros, durch Agha Michael in
Bagdad indirect von unserer bevorstehenden Ankunft benachrichtigt, seinen
Diener dahin gesandt, um uns zu sich zu holen. E r ging dann selbst zu
Muhammed Husein Chan, dem britischen Agenten, einem ehemaligen indischen
Naib (Nowab oder Nawob gewöhnlich genannt), und überbrachte ihm
unser Schreiben von Cap. Kemball. Dieser überliess uns einen Theil seines
geräumigen Hauses mit änstossendem Gärtchen, worin 2 hohe Platanen,
einige Rosenstöcke, Orangen- und andere-Bäume standen, zur Wohnung.
Auch dieses Haus trug überall Spuren des vorjährigen Erdbebens.
Freitag, den 23., besuchte uns der schwedische Arzt Dr. Fagergrun,
seit 4 Jahren in Schiräs ansässig, und Tags darauf der ehemals jüdische,
jetzt moslemische Arzt Dr. Rosenzweig. E r erzählte uns, dass er einst bei
einem Trinkgelage von seinem General gefragt worden sei, ob Christen und
Juden auch Muhammed als Propheten anerkennen. Da er nicht gewusst
habe, was er antworten solle, habe er diese Frage bejahet, und darauf das
ihm vorgesprochene muhammedanische Glaubensbekenntnis nachgesagt,
den folgenden Morgen, als er gar nicht mehr daran gedacht habe, sei er
daran erinnert und gezwungen worden, in nüchternem Zustande zu bestätigen,
was er in der Trunkenheit gesagt hatte. Mr. Brühl hatte von seiner
geschiedenen Frau in Bagdad gehört, er habe gesagt, er sei ebenso rein als
die Ändern, und auf Befragen erwidert, dass auch er Moslem sei. E r soll
früher Taschenspieler gewesen sein, aber von seiner Frau, welche vor ihm
einen jüdischen Arzt zum Manne gehabt, einige medizinische Bücher bekommen,
und durch diese sich zum Arzte ausgebildet haben. E r begleitete