
endlich wurde beschlossen, abzureisen, und so machten wir uns trotz Sturm
und Regen Sonntag den 11. December auf den Weg. In südöstlicher Richtung
reitend kamen wir nach t/2 Stunde links von einem Dorfe vorüber,
dessen Namen ich nicht erfahren konnte, ritten dicht dabei durch ein kleines
Wasser, dann zwischen Feldern hin, kamen nach 3 b'2 Stunde an einen
grössern Fluss el Hisel oder el Ghaesel genannt, den wir durchreiten mussten,
und gelangten nach 5 1/2 stündigem, starkem Ritt an den Fluss von
Sacho, Mojet Sacho oder Chabur, von Indschidschean (in seiner Geographie
von Armenien) Kharnub genannt. E r war durch den Regen stark angeschwollen,
und das Wasser ging unsern Pferden und Maulthieren fast bis
an den Bauch. An dein ändern, linken Ufer liegt das schmuzige Sacho, ein
Marktflecken mit einer Festungsruine und einer steinernen Brücke am entgegengesetzten
Ende des Ortes, die wir bei unserrn Eintritt gar nicht bemerkten.
Zum Glück war Mr. Boutcher vorausgeritten, hatte ein Logis für
sich gefunden, und lud uns freundlich ein, in seinem Zimmer mit zu wohnen,
was uns natürlich ein höchst willkommnes Anerbieten war.-Ich war bis auf
die Haut durchnässt und ganz erstarrt, und erholte mich nur allmälig an
dem lustigen Feuer, welches er in seinem Gemach unterhielt, mich bald darauf
auch durch Thee innerlich erwärmend. Das Zimmer war nur klein, und
reichte gerade für unsere 3 Betten hin, hatte aber nach allen 4 Seiten je
2 Fenster von dem Umfang eines Lehmziegels, von denen nur 1 oder 2 spärlich
mit Papier verklebt waren, so dass zu den übrigen 6 die Luft überall
durchzog. Es regnete die ganze Nacht durch, so wie auch den folgenden
Morgen, so dass wir genöthigt waren, den Montag, und, da der Regen nicht
nachliess, auch den Dienstag in Sacho, und zwar in dieser engen Klause
zuzubringen; denn aus dem Hause konnte man nicht gehen, ■ da man fürchten
musste, im Kothe stecken zu bleiben. Zuletzt regnete es auch in unserm
Gemache an verschiedenen Stellen durch, und, da ich mein Bette nicht weiter
rücken konnte, so musste ich mit dem Regenschirm in der Hand schlafen,
um mich wenigstens nothdürftig zu schützen. — Die Bevölkerung von Sacho
besteht aus 100—120 muhammedanischen Kurden, 200 Juden und 20-—25
syrischen Katholiken Die Letztem haben eine alte, jetzt restaurirte Kirche,
die man uns Bö Schmuni nannte, die Juden eine sehr alte Synagoge,- und
die Muhammedaner 1 Moschee mit einem Minaret. Es war auch hier ein
öffentliches Bad, welches aber seit etwa 25 Jahren in Verfall gerathen ist.
Sacho liegt auf dem Dschebel Sendi, nahe dem (Gebirge) Dschebel Qara.
Nördlich von Sacho wohnen nur chaldäische Christen, weiterhin Nestorianer.
Die Berge nordöstlich von Sacho heissen Dschebel Bischesch; den Fluss, an
w e l c h e m das Städtchen liegt, nannte unser Wirth Moje Seb. SP Die Einw
o h n e r sprechen arabisch und kurdisch. Sacho hat einen Mutesellim, welcher
früher unter dem Pascha von MÖsul stand, jetzt aber, seit 1851, dem
Pascha von Diarbekir untergeordnet ist.
Mittwoch, den 14. December, schien endlich das Wetter besser zu wer-
iden, und die ganze Karawane entschloss sich zur Abreise. Kaum aber hatten
wir Sacho verlassen, als es von Neuem zu regnen begann, und immer
(stärker regnete, so «dass wir genöthigt waren, in dem nächsten Orte Tarke-
schan, 4 Stunden von Sacho, zu bleiben, wo ich abermals bis auf die Haut
durchnässt anlangte. Dabei hatten wir einen äusserst schwierigen Weg in
steinigen Bergschluchten, an jähen Bergabhängen entlang und über steile
Felsen, so dass ich Gott dankte, als ich diesen Weg, den schlimmsten und
schwierigsten,- glücklich überwunden hatte. Ungefähr in der Mitte des
Weges stiessen wir auf eine Anzahl Kurdenzelte. Auf den Bergen wuchsen
¡fast nur strauchige Eichen, und ein anderer Dornenstrauch mit fast tellerartigen
Blüthen, den ich zuerst bei Sebdany gesehen hatte. Von Tarkesehan
lan war der Weg, wenn auch nicht ganz gut, doch vortrefflich in Vergleich
zu dem vorigen.
Von hier an reisten wir allein mit Mr. Boutcher, um so bald als möglich
Mösul zu erreichen. Wir standen Donnerstag, den 15. December, früh um
¡3 Uhr auf, und um 5 Uhr machten wir uns auf den Weg. Wir ritten den
IBerg, an dessen unterm östlichen Abhange Tarkesehan liegt, hinab. Der
Weg war steinig, und theilweise auch beschwerlich; der Mond, fast voll,
leuchtete uns. Unsere Richtung war eine nordöstliche. Nach 1 Stunde
kamen wir bei dem Dorfe ’Aasi, rechts von demselben vorüber, nach 3
(Stunden bei Kawäsch, und erreichten nach 7 Stunden Tülüb oder Uetlüb.
;Von Tarkesehan bis Kawäsch erstreckt sich, der District Eslewani, von da
lan beginnt das Gebiet von Mösul. Tülüb war das erste Dorf, welches kurdische
Jesidi’s (sogenannte Teufelsverehrer) zu Bewohnern hat. In diesem
und den folgenden jesidischen Dörfern waren die Dächer der Häuser nicht
flach, sondern schief und spitz gleich den unserigen, und mit Stroh bedeckt.
Hier sah ich zum ersten Male in dem Orient Ziegen- und Schafheerden
getrennt, und erstere mit mächtig grossen Hörnern, wie bei Dschesire. Bei
diesem Dorfe, durch welches wir ritten, wendeten wir uns östlich, und ritten
P e t e r m a n n , Reise im Orient. II . 4