
Sie sind strenge Monotheisten, und bezeichnen Gott mit dem persischen
Namen Bala oder Bala'i, d. i. der Höchste. Schöich Ade oder Scheich ’Aly
ist ihnen nicht ein Heiliger, bei dessen Grabe sie beten — sie dürfen überhaupt
bei keinem Grabe beten — sondern Gott selbst, den sie nur aus Con-
nivenz gegen die Muhammedaner so nennen, und zugleich der Sohn, eine
Incarnation Gottes, der Herr und Schöpfer von Allem. Von Gott kommt
Gutes und Böses, das Böse ist aber nur nach menschlicher Ansicht böse,
nicht nach der Ansicht Gottes. Scheich ’Aly für das gute, und Melik (König),
oder richtiger wohl Mel’ek (Engel) Tawus (Pfau) für das böse Princip,
sind nur Bezeichnungen der verschiedenen Attribute der Gottheit, in welcher
alle Eigenschaften vereinigt sind. E r ist aber das gute und (vermeintlich)
böse Princip zugleich. Wenn ein böses Princip, ein Teufel; vorhanden
wäre, sagen sie, so müsste ja Gott sehr schwach sein, wenn er es nicht unterdrücken
könnte. — Der ebengenannte Mel’ek Tawus soll figürlich dargestellt
sein, und in den verschiedenen Häusern umhergetragen werden; Reiche
sollen ihn auf ein Ja h r kaufen können. Ein Jude in Bagdäd erzählte mir,
er sei mit einem Jesidi befreundet gewesen, und habe von diesem seine
Kleider erbeten, um einer religiösen Versammlung mit beiwohnen zu können.
E r sah die Versammlung um einen Leuchter sitzen, auf welchem die
Figur eines Vogels war. Der Aelteste von ihnen, der Priester, sass vor dem
Leuchter. Plötzlich sprang, wahrscheinlich durch einen Mechanismus, der
Vogel von dem Leuchter auf die Erde, worauf sich alle sogleich auf den
Boden warfen, und mit dem Gesicht zur Erde geneigt liegen blieben, bis der
Vogel wieder auf den Leuchter sprang. Ich erwähne diess nicht, weil ich
etwa die Wahrheit verbürgen möchte, sondern nur, um zu zeigen, was man
für Fabeln von den Jesidi’s verbreitet. Wahrscheinlich verhält es sich mit
der-Verehrung dieses Vogels ebenso, wie mit der vermeintlichen Verehrung
des Kalbes bei den Drusen.
Sie haben wahrscheinlich Religionsbücher. Das Buch oder die Lehre
des Schöich Ade (so hiess auch der Schüler des Mani) erwähnt den Muhammedanern
zu Liebe auch Ahmed d. i. Muhammed, und scheint eine Mysti-
fieation zu sein, indem es halb wahr und halb verfälscht ist. Die Jesidi
glauben an eine Auferstehung, an eine Belohnung und Bestrafung nach dem
Tode. Diese Lehre soll ein Engel Einem ihrer Scheichs mitgetheilt haben.
Wenn ein Mensch stirbt, so kommt er (seine Seele) an einen Wald, an dessen
Eingänge ein grimmiger Löwe steht, der die Bösen zerreisst und verschlingt,
die Seelen der Guten aber sogleich gen Himmel in das Paradies trägt. Die
Mittelklasse lässt er durch, und giebt ihr selbst (oder ein Engel) eine Axt,
um den Wald durchzuhauen. Am Ende desselben kommen sie an eine lange
äusserst schmale Brücke (derselbe Glaube ist auch bei den Muhammedanern),
unter welcher statt des Wassers hell brennendes Feuer ist. Die Bessern
kommen ohne Schwierigkeit darüber, die Schlechtem fallen hinunter
und verbrennen. Hinter derselben harrt ihrer eine grosse furchtbare Schlange,
welche die Bösen verschlingt, und je nach der Grösse ihrer Sünden längere
oder kürzere Zeit behält, bis ein Engel kommt, und ihr befiehlt, die Seele
wieder von sich zu geben (ähnlich dem Ur der Mandäer), und durch einen
Stock sie dazu zwingt. Kohlschwarz kommt die Seele aus dem Leibe der
Schlange heraus. Der Engel führt sie auf einen Berg, auf welchem eine
Quelle is t Dort muss sie sich waschen, wird weiss wie Schnee, und erhält
einen Kamm, sich zu kämmen, so wie reine Kleider. So geschmückt kommt
sie in den Himmel, wo die Piran, „die Alten“ ihr Früchte entgegen bringen.
F a st alle Jesidi müssen einen Theil dieser Qualen durchmachen; die Christen
kommen v i e l l e i c h t auch in den Himmel, das Paradies, aber natürlich
erst nach langen Peinigungen, vielleicht auch die Juden, aber keine Andersgläubigen.
Nur einen einzigen kurzen Ausflug machten wir von Mösul aus; Nim-
rud hatte ich auf der Reise nach Bagdäd schon gesehen, von Chörsabad versicherte
mir Mr. Place, der seine Ausgrabungen beendigt hatte, und bald
nach Galatz, seinem neuen Bestimmungsorte abreisen wollte, dass er von
dort Alles weggenommen habe, und nichts mehr als die Höhlen und Gräben,
die er angelegt habe, zu sehen seien; und so blieb mir nur noch Kujundschük
übri°-, wo Mr. Loftus ebenfalls bedeutende Schätze gefunden hatte. Dieses
liegt Mösul am nächsten, aber auf dem linken Ufer des Tigris, nur etwa
i/2 Stunde davon entfernt. Dahin also richteten wir unsere Schritte, und
fanden auf einem mehr langen als breiten Hügel, der von Nord nach Süd
sich erstreckt, an dem nördlichen Ende desselben den Eingang zu dem
Palast von Sanherib, geschmückt und gleichsam bewacht von den beiden
kolossalen Thiergestalten, ähnlich denen von Persepolis, die für den Transport
zu gross gewesen waren. Fast alles Uebrige hatte Mr. Loftus weggeschafft,
und so hatten die Arbeiten der Engländer und Franzosen fast
gleichzeitig aufgehört. Mr. Loftus hatte die Freundlichkeit, mir eine Hand,