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der Gouverneur des Paschaliks, welcher mir, ich weiss nicht warum, speciell
sehr gewogen war, mir mehrere Bücher, und zuletzt noch ein schönes Künstleralbum,
vor 200 Jahren gemalt, zum Geschenk machte. Es hatte dem
’Aly Schah von Persien gehört, und war von diesem in den Besitz der persischen
Prinzen gekommen, die in Bagdad lebten. Diese schickten es ihm zu,
er zeigse es mir, und da er sah, dass es mir gefiel, so liess er sie fragen, ob sie es
ihm nur zur Ansicht oder zum Geschenk überschickt hätten. Natürlich liessen
sie ihm erwidern, dass das Letztere ihre Absicht gewesen sei, und darauf gab
er es mir den letzten Abend vor meiner Abreise als Andenken. E r war
aus Georgien gebürtig, als neunjähriger Knabe in türkische Sclaverei ge-
rathen, hatte viel Talent gezeigt, und war später zu seiner militärischen
Ausbildung nach Frankreich gesendet worden, wo er nach glänzend bestandenem
Examen bis zum Kapitän avancirt war. Nach der Türkei zurückgekehrt,
wurde er bald weiter befördert, und leitete später als Pascha von
Charpüt die Expedition gegen die Kurden mit vielem Glück, so dass er ihren
Häuptling Peder Chan Böy gefangen nahm, und den ganzen Aufstand
unterdrückte. Man hatte ihm mehrmals eine Stelle als Minister angetragen,
aber stets hatte er es abgelehnt und vorgezogen, das Paschalik von Bagdäd
zu übernehmen, und in dieser Stellung zu bleiben, in welcher er bei einem
m o n a t l i c h e n Gehalt von 120,000Piastern, d. i. 7500Thlrn., ausser den vielen
anderweitigen Emolumenten, ohne Repräsentationskosten oder andere ausserordentliche
Ausgaben zu haben, fern von denlntriguen desHoflebens fast unumschränktregierte.
E r war als Christ geboren, und hatte auch ahrsolcher seine
erste Erziehung erhalten; später wurde er gezwungen, zu dem Islam überzutreten,
las aber ifoch als Pascha in Bagdäd die Bibel, und namentlich das neue
Testament. Sein langer Aufenthalt in Frankreich hatte ihn den Muhammedanern
Bagdäd’s anfangs verdächtig gemacht; um sich bei ihnen von diesem
Verdachte zu reinigen, liess er kurz nach seiner Ankunft eine Moschee, die
in Verfall gerathen war, auf seine Kosten wieder prächtig auf bauen. Auf
ähnliche Weise verfuhr auch kürzlich Omer Pascha, welcher sogleich die
bedeutende Bibliothek des verstorbenen Mufti kaufte, und sie einer Moschee
als Waqf d. i. unveräusserliches Eigenthum schenkte. Reschid Pascha, ein
Mann von etwa 50 Jahren, welcher vor 2 Jahren unerwartet starb, war ein
Türke von aussergewöhnlicher Bildung, und seine Unterhaltung sehr lehrreich.
E r besass eine gründliche Kenntniss des Französischen, und sprach
es mit grösser Fertigkeit. Bei ihm fand ich e in, wahrscheinlich nur wenig
bekanntes Buch, enthaltend arabische Briefe von Muhammed, Abu Bekr,
Omar, Osman, ’Aly, von der ’Aaschije und Husein, zum Theil mit Antworten,
sodann türkische Briefe an die türkischen Sultane, von Osman und Orchan
an, und von denselben. Es ist in Konstantinopel 1264 d. H. oder 1847 8
n. Chr., aber nur in 40 Exemplaren für die Veziere in 2 Theilen Fol. gedruckt
worden, von denen der erste bis Suleiman dem Grossen, 931 d. H.
oder 1524 — 5 n. Chr. geht, und enthält, wenn auch die arabischen Briefe
gewiss manchen Zweifeln in Betreff ihrer Echtheit unterworfen sind, doch
unter den türkischen sicher sprachlich und historisch merkwürdige Docu-
mente. -— Als Reschid Pascha das Paschalik von Charpüt verwaltete, liess
er eine Zählung der Bewohner veranstalten, als deren Resultat sich ergab»
dass von Samsun bis MÖsul nur 950— 951,000 Muhammedaner lebten.
Die grösste Schwierigkeit fand er bei den Hakkjary-Kurden, welche sich durchaus
nicht zu einer Zählung verstehen wollten. Endlich brachte er sie dazu
durch die Worte „ Jed e r Schäfer zählt seine Schafe“ , die er ihnen aus dem
Qor’än citirte; aber ein kurdischer Knabe, der seinen Vater fragte, ob auch er
mit gezählt sei, fiel auf dessen bejahende Antwort auf der Stelle todt nieder.
Nach Reschid Pascha giebt es 3 ganz verschiedene Kurdenstämme. Die
Einen sind die Sasa-Kurden, die er für echte Nachkommen der alten Par-
ther hält. Sie wohnen am Taurus, und ziehen sich weit nach Kleinasien
hinein. Die Ändern sind die an der persischen Gränze wohnenden Kurden,
deren Sprache bald mehr persisches, bald mehr arabisches Gepräge hat. Die
Dritten sind von kaukasischem Stamme, von Erzerüm an bis Charpüt u. s. w.
Ihre Physiognomie wie ihre Sprache sollen an die der Georgier erinnern );
sie haben sich aber auch vielfach mit Armeniern vermischt.
Oberhalb Charpüt,- auf der Spitze eines Berges sah Reschid Pascha
eine armenische Kirche von ganz römischer Bauart, die ihm ein ehemaliger
Sonnentempel gewesen zu sein schien. — Bei einem Armenier in Van fand
er gegen 20 Stück altarmenische Münzen, und bei Charpüt sah er eine
Qara Qojunlu-Münze mit einem weiblichen Porträt und der Sonne darüber;
sie war von einem Emir geprägt worden, der seine Gattin zur Regentm
*) D ie amerikanischen Missionare von M6sül'nehmen eb enfalls 3 k u rd isch e D ia le c te
an, und v e rth e ilen sie in folgende D is tr ie te : 1) d e r D ia le c t von S u le im an ije ; 2) d e r von
K u rd istan b is V an ; 3> der von Mesopotamien. D e r am m e isten co rrum p irte D ia le c t soll
der v o n den S o h eb ek e -K u rd en gesprochene se in , welche von A k ra m K u rd istan west-
wä rts wohnen.