
bei Raschidije am linken, und bei dem Zeltdorfe Muschächeda am rechten
Ufer vorbei, letzteres von räuberischen Beduinen bewohnt. Um 111/2 Uhr
sahen wir am linken Ufer Suäken oder Suädschen, gegen 12 Uhr, also bei
Sonnenuntergang an demselben Ufer Dscherjat el Mämän, gegenüber am
rechten ein verlassenes Dorf Habib el Murallad. Erst spät in der Nacht gelangten
wir zu der Stadt Imam Müsa am linken Ufer, wo wir bleiben mussten,
da die Thore von Bagdäd von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang
geschlossen sind. Dieser Stadt liegt am rechten Ufer Imam Asam gegenüber,
und mit diesem Orte beginnen auch die Palmen an dieser Seite. So
waren wir genöthig't, den heiligen Abend noch in dem Kelek, wo ich ein so
miserables Lager und schlechte Kost hatte, znzubringen. Endlich, vor
Sonnenaufgang am 1. Weihnachtsfeiertag', machten wir die letzte kurze
Tour von etwa 1 Stunde, und gelangten, rechts und links fast unausgesetzt
von Palmenhainen umgeben, in die ehemalige Residenz der Chalifen. Wir
hielten vor der Brücke an, hatten einige Noth mit der Douane, weil ich
keinen Freischein (Teskere) bei mir hatte, und kamen dann glücklich in
unsere Quartiere, Gott dankend, dass wir auch diese Reise glücklich überstanden
hatten.
In Jerusalem hatte ich zufällig die Bekanntschaft eines deutschen Missionars,
Mr. Brühl, gemacht, welcher im Dienste der englischen Missionsgesellschaft
unter den Juden seit mehrern Jahren schon in Bagdäd lebte.
Ich wollte damals die Reise mit ihm machen, konnte diess aber nicht ausführen,
weil ich noch keine Verlängerung meines Urlaubs erhalten hatte.
Je tz t benutzte ich seine damalige Einladung, bei ihm zu wohnen, und begab
mich in sein Haus. Ich traf ihn nicht, da er gerade Gottesdienst in dem
englischen Generalconsulat hielt; bald aber kam er an, begrüsste mich
freundlichst, und brachte mir zugleich, da er eben vorher meine bevorstehende
Ankunft von Mr. Boutcher erfahren hatte, eine Einladung zu demselben
Abend von dem englischen Generalconsul und Residenten der ostindischen
Compagnie, den durch seine vielfachen Entdeckungen und E ntzifferungen
auf dem Gebiete der Keilschriften allbekannten Col. Rawlinson,
bei welchem wir auch die 3 folgenden Abende zur Tafel eingeladen
waren. Ich lernte hier sämmtliche Engländer kennen, deren Einige mich
ebenfalls einluden, so dass ich in Bagdäd herrlich und in Freuden lebte.
Bei Col. Rawlinson, welcher ein schönes Palais am Tigris als Dienstwohnung
inne hatte, fand man namentlich eine reich besetzte Tafel mit Gerichten und
Weinen aus verschiedenen Ländern Europa’s, Hindu’s, Perser, Araber und
Engländer zur Bedienung; und es herrscht hier auch die indische Sitte, dass
jeder Gast seinen Bedienten mitbringt, und von ihm sich bei Tische bedienen
lässt. Nach der Tafel gingen wir jedesmal in das Billardzimmer, wo
gespielt wurde. Am Neujahrstage, an welchem wir ebenfalls bei Col. Rawlinson
zur Tafel waren, wimmelte die Gasse, in der das Generalconsulat
liegt, von Europäern und europäischen Uniformen, da auch zufällig eine
Anzahl Franzosen in Bagdäd war. Auch der junge persische Prinz, Bruder
des jetzt regierenden Schah’s *), machte an diesem Tage mit grossem Gefolge
dem Col. Rawlinson seine Aufwartung. Am 2. Januar waren sämmtliche
Europäer, 36 an der Zahl, bei ihm eingeladen, das türkische Musikkorps
des Pascha spielte den ganzen Abend europäische Melodien, das
Palais war im Innern mit bunten Lampen ganz illuminirt, Pechfackeln
brannten in dem grossen Hofe; nach der Tafel wurde gespielt und selbst
e-etanzt, und, als die Gäste nach Hause gingen, wurden O ' ' sie von Fackelträgern
und Kawassen in ihre Wohnungen geleitet. So habe ich genussreiche
Tage in Bagdäd verlebt, wo sonst leider fast gar nichts aus der Vergangenheit
sich erhalten hat — nur das Grabmal der Sobeide steht noch,
und die Douane soll an der Stelle der ehemaligen Küche der Chalifen stehen,
und noch einige Spuren davon zeigen. Kurz vor unserer Ankunft war Bagdäd
in gi-osse Angst versetzt gewesen, da der Schah von Persien sich vorgenommen
hatte, diese Stadt mit 30,000 Mann in Besitz zu nehmen. Der
Pascha, von Truppen entblösst, war in seiner Angst zu Col. Rawlinson gegangen;
dieser aber, dem diese Expedition sehr erwünscht gewesen wäre, da
er ein ebenso tüchtiger Offizier als Gelehrter ist, und sogleich Truppen aus
Indien würde erhalten haben, hatte ihn beruhigt. Der Schah hatte gehofft,
dass die Engländer sich nicht einmischeh würden, und ihnen angekündigt,
dass er nur gegen ■ die Türken ziehen wolle; als er aber erfuhr, dass er es
hauptsächlich mit den Engländern zu thun haben würde, hatte er augenblicklich
die Expedition aufgegeben.
Meine ers'te Sorge in Bagdäd war natürlich, meine ganz erschöpfte
Kasse wieder zu füllen. Ich hatte mit Sicherheit darauf gerechnet, eine
*) E r is t d e r H a lb b ru d e r von N a s r eddin S ch ah , den dieser se h r lie b t; n u r die b e iden
Mütter v e rtra g e n sich nicht mit e in a n d e r , u n d desshalb ist e r g en ö th ig t, in B ag d äd
gleichsam im E x il zu leben.
P f.termann, Reise im Orient. II . 5