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•Christen und Muhammedanern für heilig, weil dieser Ort mit dem Teiche
Eigenthum des Ahraham gewesen sein soll, bevor er nach Kanaan ging.
Desshalb ist diess auch ein berühmter Wallfahrtsort der Muhammedaner.
— Hinter dieser alten Moschee ist ein kleineres nicht ummauertes Wasserbassin,
aber umgeben von Platanen, Maulbeer-, Oliven- und ändern Bäumen.
Beide Teiche erhalten ihren Zufluss von mehreren Quellen an der Südseite.
Von da stiegen wir in die Qal’ah (Festung) hinauf, welche ganz Ruine
ist. Dort stehen noch 2 hohe Säulen, deren eine hoch oben eine Inschrift in
Srangeli (Estrangelo) hat, von der ich nur die Worte lesen konnte: ¡4'
-¿r2 Malktho bat Maano, „die Königin, Tochter des Maano“. In der
Stadtmauer sollen ebenfalls noch altsyrische Inschriften sein. Leider hatte
ich keine Zeit sie aufzusuehen. Man hat von oben eine herrliche Aussicht
über die Stadt und Umgegend. An der Südseite der Festung ist ein langer,
sebr tiefer Graben in den lebendigen Felsen gehauen. In der Festung selbst,
und an dem Felsen fand ich die ersten und einzigen Vergissmeinnicht, die
ich auf meiner ganzen Reise gesehen habe. — Von da aus gingen wir
ausserhalb der Stadt an der Westseite nach dem Grabe des Mar Ephraem.
Dieses ist innerhalb eines armenischen Klosters, dessen Kirche dem heiligen
Sargis (Sergius) geweiht ist. Unten, im Souterrain, ist das Grab des heiligen
Ephraem in Stein gehauen, auf welchem noch ein kleiner Stein ist, der
ursprünglich eine Inschrift gehabt zu haben scheint. Dieses Grab gehört
den Syrern (Jakobiten). Eine alte, kranke Frau sass daneben, und hoffte
von dem Heiligen ihre Genesung zu erlangen. Ueber dem Grabe ist ein
kleines Gitterfenster, welches die Dunkelheit spärlich erleuchtet. Vor dem
Grabe ist nahe der Felswand eine Säule aus dem Stein gehauen, zwischen
welcher und der Wand Jeder versucht, hindurch zu gehen. Neben dem
Grabe ist von Aussen der Eingang zu einer langen Höhle, welche bis zu der
Festung führen soll. Etwas weiter westlich von dem Kloster besuchten wir
eine Grabeshöhle, in deren Mitte im Hintergrund die einander gegenüber
liegenden Figuren eines Mannes und einer Frau in Stein gehauen sind,
wahrscheinlich römischen Ursprungs. An dem Felsen südlich von der
Festung bemerkten wir weiterhin viele Grabhöhlen ähnlich denen von
Dara und Jerusalem. Rund herum sind viele Weinpflanzungen.
Orfa hatte ursprünglich 4 Thore: 1) das Thor von Samsat (Samosata,
welches 9 Stunden entfernt sein soll) Samsat kapusi, 2) Bey kapusi, 3) Char-
ran kapusi, das Thor von Charran, durch welches wir in die Stadt gekomOrfa
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men waren, 4) Arslan kapusi „das Löwenthor“, so genannt von den zu beiden
Seiten in den Stein gehauenen Löwen. W h waren zu Mar Ephraem
durch ein 5tes Thor gegangen, genannt Saqib Efendi kapusi, welches dieser
türkische Grosse erst wenige (etwa 5) Jahre vorher wahrscheinlich zu seiner
Bequemlichkeit erbaut hatte, weil er dort Weingärten, und in denselben ein
hübsches Haus besass. Dann gingen wir durch das Samsat kapusi in die
Stadt zurück, und nach der Ulu dschami (der grossen Moschee), neben welcher
ein dicker alter Glockenthurm steht.
Am Vormittag war es drückend heiss, und am Nachmittag stellte sich
ein Gewitter ein, welches aber nicht lange anhielt. Als wir von unserm
ziemlich langen Spaziergang zurückgekehrt waren, bereiteten wir uns zu
der Abreise vor, da meine beiden Reisegefährten nicht länger als 1 Tag in
Orfa zu bleiben wünschten, hatten aber viele-Noth, Thiere für unser Gepäck
und unsere Diener aufzutreiben. Unser Wirth liess den Qatirdschi baschi,
das Oberhaupt der Maulthierbesitzer, kommen, und dieser erklärte uns, dass
augenblicklich keine Maulthiere in der Stadt aufzutreiben, und unsere
Sachen für diese auch zu schwer seien. Wir entschlossen uns daher, zur
Hälfte Kameele h, 80 Piaster, und zur ändern Hälfte Maulthiere k 60 Piaster
bis Haleb, und zwar 6 Kameele und 7 Maultbiere zu nehmen. Diese
versprach er uns zu verschaffen. Da er aber keine rechte Anstalt dazu
machte, so sandte Mr. Loftus seinen Ferm an zu Beidschan Pascha, der erst
seit 6 Monaten in Orfa war, und mit 4 türkischen Agha’s das Volk aussaugte,
und liess ihn um Beides bitten. Bald kam auch ein Kawass baschi,
welcher versprach, die Thiere zu besorgen. Kurz darauf kam er wieder,
und versicherte uns, dass er sie aufgetrieben habe, und dass sie den nächsten
Morgen ganz früh bereit sein würden.
Am Abend kamen noch Mehrere, uns zu besuchen, unter diesen auch
der Aelteste der Kapuziner, der schon 14 J ah r in Orfa war, und den Convent
gegründet hatte, in welchem ausser ihm noch 2 Andere waren. Sie
hatten eine Schule errichtet, und 20—30 Familien, Jakobiten und Armenier
convertirt. E r war- ebenfalls im Begriff, den nächsten Tag zu verreisen,
und zwar nach Süwörek, wo sie 2— 3 armenische Familien convertirt hatten,
wo aber kein Convent war; nur von Zeit zu Zeit ging Einer von ihnen
aus Orfa dahin. E r schien ziemlich gut unterrichtet zu sein.
Ich erfuhr hier, dass weder syrische noch armenische Codices in Orfa
zu finden seien; nur die Handschrift der Chronik, Mekteb sebne, die ich in
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