
thigt wurde. Unser Kelek hatte 100 Ziegenfelle. Gegen 3 Uhr Nachmittags
kamen wir endlich fort. Wir sahen zuerst Neby Junes -— so genannt, weil
dort das Grab des Propheten Jonas sein soll — in einiger Entfernung vom
linken Ufer, Mösul gegenüber, und kamen nach l*/jj Stunde bei Qasr Sulei-
man vorbei,' einer alten, noch jetzt theilweise benutzten Festung mit daneben
liegendem Dorfe. Gegen 8 — 9 Uhr mussten wir über eine, durch viele im
Wasser liegende Felsstücke gefährliche Stelle, wo früher eine Brücke,
Dschisr Nimrud, gestanden haben soll. Trotz des ziemlich hohen Wasserstandes
war unsern Kelekdschi’s doch selbst nicht ganz wohl dabei zu Muthe;
und als wir, wahrscheinlich durch Unvorsichtigkeit oder Unwissenheit, in
eine Strömung geriethen, wo unser Fahrzeug auf Steine stiess, rief der Ael-
tere der Beiden, ein rüstiger Greis, in seiner Angst t xJJI Allah isma’
„Gott erhöre“ sc. uns. Zum Glück wurde nur ein einziges Ziegenfell durch
diesen Anstoss verletzt, und wir landeten bald darauf bei Nimrud, wo wir
Verabredetermassen 1 Kelek mit Baschbosüks und einem Scheich von dem
Beduinenstamme der Sehemmär schon vorfanden, welche gekommen waren,
um 3 Keleks des englischen Viceconsuls Mr. Rassam sicher zu geleiten,
welche dieser mit 2 bei Nimrud ausgegrabenen ägyptischen Obelisken mit
Hieroglyphen bedeckt, und einer Masse anderer kolossaler Marmorplatten
mit Keilschrift und Reliefs aus derselben Stelle beladen, und nach Bagdad
schaffen liess. Diese Keleks sollten erst den folgenden Tag geladen werden.
Die Marmorplatten, unten mit Strohmatten, darüber mit durch Schrauben
an den Seiten befestigten Holzplatten bedeckt, lagen am Ufer zur Einschiffung
bereit. Diess nahm voraussichtlich einen grossen Theil des folgenden
Tages weg, daher wir am Morgen nach eingenommenem Kaffee den Aufenthalt
benutzten, um die Ausgrabungen des englischen Consuls an Ort und
Stelle in Augenschein zu nehmen. — Die Franzosen und Engländer hatten
gewissermassen Ninive unter sich vertheilt, indem Erstere in Chorsabad,
4 Stunden nördlich von Mösul, Letztere in Kujundschnk, 1/2 Stunde von
Mosul am jenseitigen Ufer, und in Nimrud, 6 Stunden südlich davon, ebenfalls
am linken Ufer des Tigris, nach dem Vorgänge von Botta, früherm
französischen Consul in Mösul, später in Jerusalem, und dem Engländer
Layard ihre Nachgrabungen in der Weise verfolgten, dass sie dieselben anstellten,
wo sie Erdhügel vorfanden. Mr. Place, der Nachfolger von Botta,
obgleich, wie er selbst sagte, kein Orientalist, ging dabei mit grösser Umsicht
und Vorsicht zu Werke, liess sich durchaus nicht auf Hypothesen ein,
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sondern gab nur das, was er selbst gesehen, wovon er sich durch eignes
Anschauen überzeugt hatte, in seiner Beschreibung wieder, und liess die aus-
„eorabene Erde durchsieben, da er darin schon manche werthvolle geschnittene
Steine und Cylinder, so wie andere Schmucksachen, unter ändern auch
einen Stein mit phönizischer Inschrift gefunden hatte. Unter den grossen
Gegenständen, die er zu Tage gefördert, war besonders eine Statue bemer-
kenswerth, die einzige bis jetzt bekannte. E r hat einen genauen Riss des
von ihm ausgegrabenen Palastes — nur Paläste hat man bis je tz t gefunden
mjt Angabe aller Dimensionen angefertigt, -und war der Ansicht, dass
die Denkmäler von Chorsabad die älteste, die von Kujundschuk die mittlere,
bessere, und die von Nimrud die letzte Periode der Kunst und deren
Verfall repräsentiren. Die Gestalten, Physiognomien, Trachten, ja selbst
der Bau der Häuser, sollen noch viele Analogie mit denen der Jetztzeit in
der Umgegend zeigen. Die Privathäuser waren wahrscheinlich sämmtlich
von Backsteinen, wie noch jetzt, daher sie sich nicht erhalten haben, ebenso
die gewölbten Decken der Zimmer in den Palästen, während die Wände
der letztem aus dem in der Nähe überall zu Tage liegenden bläulich grauen
Marmor bestehen.
Wir gingen durch das etwa S f| Stunde von unserm Landungsplätze
entfernte Dorf Nimrud, aus circa 400 sämmtlich von Arabern bewohnten
Häusern bestehend nordwestlich davon liegt das kleinere Dorf Kneifa
nach dem noch | | Stunde weiter gen Norden liegenden länglichen Hügel,
welcher oben.und an der Seite vielfach ausgegraben war, und die Reste
eines Palastes zeigte. Wir sahen dort noch ganze Zimmer sc. ohne Decken,
von langen, breiten und etwa 4 Finger dicken Marmorplatten mit Keilschriften,
an einer Wand auch an 2 gegenüber stehenden Seiten einen
Kampf zu Wagen, und ein Portal mit kolossalen Sphinxen. Backsteine mit
Keilinschriften lagen umher. Vieles davon war noch sehr schön erhalten,
wie neu. — Zurückgekehrt zu unsern Fahrzeugen mussten wir noch bis
zum Nachmittag warten, da die etwa 30 Araber unter Anleitung des jün-
gem Bruders des englischen Consuls viel Mühe hatten, die schweren Stücke
auf die Keleks zu bringen. Nachdem sie ihre Arbeit glücklich beendet
hatten, führten sie einen Freudentanz auf, indem sie sich dicht an einander
in einen Halbkreis stellten, hüpften, und dazu sangen. Drei von ihnen zogen
ihre Degen, stellten sich in die Mitte, schwangen sie, und machten allerhand
tanzende Bewegungen dazu. Als sie fertig waren, fuhren die Keleks des