
zuerst gegen das unglückliche Dschesire, dessen Bewohner schon in dem
vorhergehenden Jahre hart bedrückt worden waren, und sich nur mit der
äussersten Anstrengung zu halten vermocht hatten. E r schlug die türkische
Besatzung, 5000 Mann, wie man sagte, in die Flucht, nahm den Gouverneur
gefangen, und bemächtigte sich dann des Städtchens Sacho, sofern diess
nicht vorher geschehen war, da dieser Ort in der Mitte zwischen Dschesire
und MöSul liegt. Da dort überall Kurden wohnen, so war es ihm ein Leichtes,
weiter vorzudringen, so dass man selbst für Mösul fürchtete, welches
nur eine geringe Besatzung hatte. Um sich aber für den Fall eines ungünstigen
Erfolges seiner Empörung zu decken, schrieb er dem englischen, wie
dem französischen Consul in Mösul, dass er die Oberherrschaft des Sultans
anerkenne, und nur gegen den Pascha, der sich-gegen die Seinigen vielfache
widerrechtliche Gewaltthaten erlaubt habe, aufgestanden sei. Nun erst sah
sich der Pascha von Bagdad genöthigt, Truppen nach Mösul zu senden. Er
schickte 4000 Mann dahin ah, welche keineswegs genügend waren, den bei
Weitem zahlreichem und kampfgewohnten Kurden wirksam entgegen zu
treten. Leicht hätte dieser Aufstand verhängnissvoll für die hohe Pforte
werden können, da das ganze Gebirge von Kurdistan bis nach Kleinasien
hin von Kurden bewohnt ist, und zu erwarten stand, dass alle seine Stammgenossen
sich diesem Böy, dessen Familie in hohem Ansehen steht, anschlies-
sen würde. Dennoch wurde er auf eine unerwartete Weise nach wenigen
Monaten unterdrückt, wovon ich später berichten werde. F ü r Bagdad hatte
er nur den Nachtheil, dass die Posten von Konstantinopel zurückgehalten
wurden, und der Pascha von Mösul alle Ausfuhr verbot. Da nun überdiess
auch die Beduinen alle Zufuhr von dem Süden und Westen her abschnitten,
so entstand eine grosse Theuerung in Bagdad, welche den ganzen Winter
hindurch anhielt. S l Von Indien brachte das englische Dampfboot, welches
die Beduinen nicht anzugreifen wagten, regelmässig alle Monate 1 Mal
Nachrichten, die Briefe von und nach Europa aber wurden anfangs alle
3 Wochen, mit dem Beginn des Jahres 1855 alle 14 Tage durch einen eng-
lischen Courier, welcher zwischen Beirut und Bagdad ging, befördert. Dieser
pflegte die Tour auf einem Dromedar (leichtfüssigem Kameel) in 10 — 12
Tagen zurück zu legen. Von Damascus bis Beirut ritt er gewöhnlich in
20 Stunden; 1 Mal aber hatte er 10 Tage dazu gebraucht, weil nach seiner
Versicherung der Schnee auf einzelnen Stellen des Libanon 12 Fuss hoch
In Bagdäd war natürlich der Schnee etwas Unerhörtes. Um die Mitte
November, da es anfing etwas kühler zu werden, zogen die wilden Gänse
fort, jedoch waren die Mücken, Wespen und Hornissen noch sehr arg. Nachdem
wir Ende dieses Monats etwas Kegen gehabt hatten, stellte sich wieder
das schönste Wetter ein, und erst den 16ten bis 18ten December hatten wir
fast ununterbrochenen, starken Kegen; dann blieb der Himmel heiter bis
zum 4ten Janua r, als abermals ein heftiger Regen mit starkem Gewitter
gegen Abend eintrat; doch liess Beides um Mitternacht nach. Nach abermals
14 Tagen hatten wir den 19ten und 2Oten starke Regengüsse, und die
Morgen und Abende wurden zum Theil so kühl, dass wir in dem Kamin des
obern Zimmers Feuer anmachen liessen. In einer Nacht sollte es sogar
gefroren haben. Dennoch liess ich nach wie vor mein Bette in der offenen
Halle aufschlagen. In der Mitte des Februar war schon vollständiger Frühling
eingetreten, die Störche klapperten auf den Minarets, und die Schwalben
flogen lustig umher; jedoch hatten die Regengüsse, welche stets wolkenbruchähnlich
fielen, die Gräben der Palmengärten angefüllt, und diese ihren
Ueberfluss an Wasser auf die weite Ebene um Bagdad ergossen, so dass wir
gleichsam auf einer Insel lebten. Nur allmälig verzog sich diess. Die Abende
und Morgen fingen wieder an, lieblich und angenehm, die Mittage dagegen
sehr heiss zu werden. Während des Regens, oder unmittelbar nach demselben,
war man stets an das Haus gefesselt, da man auf dem schlüpferigen
Boden der Gassen jeden Augenblick fürchten musste, auszugleiten, und in
eine Pfütze zu fallen, von denen sich alsbald allenthalben eine grosse. Anzahl
bildete. Die Wärme der Mittagssonne, welche auch im Januar noch immer
bedeutend war, trocknete diese jedoch bald aus, und dann waren die Spaziergänge
im Freien bei der erfrischenden Luft und dem für das Auge so
erquickenden Grün der Gärten und Wiesen besonders angenehm.
Das Haus von Mr. Brühl hatte für ihn manche Unbequemlichkeit.
Es war entfernt von dem englischen Generalconsulate, lag in einer engen
Gasse mitten unter den Häusern, so dass man nur von dem Dache aus eine
weitere Aussicht hatte, und war zu klein, um darin den Gottesdienst abhalten
zu können. Denn jeden Sonntag hatten wir zuerst in dem obern Zimmer
hebräischen Gottesdienst, darnach englischen in der Residentschaft (dem
Generalconsulate), und1 einige Mal auch armenischen, den ieh abhielt, weil
ein armenischer Protestant aus Diarbökir eine Zeitlang in Bagdad verweilte.
Mr. Brühl wünschte nun ein Haus zu miethen, in welchem er ein