
Schriften zurück. Von Vielen erhielt er sie auch, Andere aber behielten sie,
hielten sie für wahr, und richteten sich darnach, so dass auf diese Weise neue
Irrlehren in die Welt kamen.
Ueber die Dauer unserer Erde haben sie keine bestimmte Ansicht. Anfangs
sagte mir der Priester, dass sie im Ganzen 50,000 Jahre bestehen würde, von
denen 40,000 bis jetzt verflossen seien. Später aber setzte er ihre Dauer auf
480,000 Jahre, und sagte, dass von Adam bis auf Kam und Und, dem Menschenpaare,
welches bei der ersten Vertilgung des Menschengeschlechts übrig geblieben
sei, 216,000, von da bis auf Schurbai und Scharhabiel, dem 2. geretteten
Menschenpaare, 150,000, von diesen bis auf Noah 100,000, und von Noah bis auf
Abraham und die gleichzeitige Erbauung von Jerusalem 6000 Jahre verflossen
seien, so dass jetzt nur noch etwa 4000 Jahre übrig bleiben würden.*) Nach diesen
4, oder nach der ersten Berechnung 10,000 Jahren wird ein Sturm gleich der
Sündfluth Alles auf der Erde vertilgen. Hibil Siva wird sie von Neuem beleben,
und Mann und Frau aus der Meschiinne knschta bringen, sie belehren, und sie,
wie alle ihre Nachkommen werden gläubige und gute Mandäer sein und bleiben.
Diese Welt, aus lauter Guten bestehend, wird abermals 50,000 Jahre
dauern, und dann von dem Bachen des Ur zugleich mit der Meschiinne kusehta
und den Mattaratha verschlungen werden. Nun aber kommt der Tag des Gerichts,
gehalten von dem „ersten Leben“ als Richter. Ur, von Hibil Siva gezwungen,
muss alle Seelen der Mandäer, die er verschlungen, wieder herausgeben
— Hibil Siva zieht sie selbst aus seinem Leibe — und sie gelangen zum
Lichte. Hierauf verscbliesst Ur seinen Bachen, fastet, und wird mit Allem verbrannt.
Nur die Liehtwelten und die tiefen Welten der Finsterniss bleiben
übrig. An die Stelle unserer Erde kommt eine Lichtwelt, und Fetähil, welcher
wieder in die hohem Regionen zu Gnaden an- und aufgenommen wird, herrscht
dann über sie in ewiger Seligkeit.
Ihren Sittenlehren liegen die 10 Gebote zum Grunde, und manche derselben
sind auch offenbar aus der Bergpredigt entlehnt. So heisst es in dem ersten
Abschnitt des „grossen Buches“, nachdem die 10 Gebote, jedoch in anderer
Ordnung, gegeben sind. „Wenn ihr Almosen gebt, so thut es ohne Zeugen;
und, wenn ihr gebt mit eurer Rechten, so sagt es nicht eurer Linken, gebt ihr
aber mit der Linken, so sagt es nicht eurer Rechten. Jeder, der da Almosen
giebt vor Zeugen, dem werden sie nicht angerechnet (der hat seinen Lohn dahin).
Seht ihr einen Hungrigen, so sättigt ihn; seht ihr einen Durstigen, so gebt ihm
zu trinken; seht ihr einen Nackten, so leget ein Kleid und eine Decke um seinen
Nacken. Denn, wer da giebt, der wird empfangen; wer aber auf Wucher giebt,
wird dessen beraubt werden “ -— daher auch bei ihnen streng verboten ist, Zinsen
zu nehmen, so wie sie auch nicht Spiele um Geld spielen dürfen. „Wer Almosen
austheilt, dem sollen viel Almosen zu Theil werden; wer einen Nackten
kleidet, dem wird man Kleid und Decke auf seinen Nacken legen.- Was ihr
nicht wollt, das euch die Leute thun sollen, das thut auch ihnen nicht-“ —- Sie
sind gleich entfernt von übertriebener Askese, wie von Zügellosigkeit, und empfehlen
die strengste Sittlichkeit. So heisst es weiter: „Euch sage ich, ihr Auserwählten,
und euch erkläre ich, ihr Gläubigen: Fastet das grosse Fasten, aber
nicht das Fasten von Speise und Getränke dieser Welt, sondern fastet mit euera
*) In dem ersten Abschnitte des Sid ra B abba wird n u r gesagt, da ss von Adam bis
a u f Ram ond Rad 30, von d a bis a u f Schnrbai an d S charhabiel 25. an d von diesen bis
a u f A n an d Scham (Noah an d Sem) 1 5 'Gene rationen verflossen seien.
Augen, dass sie nicht böse, begehrliche Winke thun, und euch zu bösen Thaten
verleiten; fastet mit euern Ohren, dass sie nicht an fremden Thüren horchen;
fastet mit eurem Munde von aller lügnerischen Rede, dass ihr nicht Lnrecht,
Lug und Trug liebet; fastet mit euerm Herzen von den Gedanken der Bosheit,
und Hass, Neid und Zwietracht sei nicht in eurem Innern; fastet mit euern
Händen von Mord und Diebstahl; fastet mit euerm Leibe von Frauen, die nicht
die eurigen sind; fastet mit euern Knieen, dass sie sieh nicht beugen vor dem
Satan und den Bildern des Truges; fastet mit euern Füssen, dass sie nicht auf
falschen Wegen gehen nach Dingen, die euch nicht gehören; fastet, fastet dieses
grosse Fasten, und lasset nicht ab, bis ihr aus euern Leibern herausgeht.“ —
„Wenn ihr stehet oder sitzet, wenn ihr gehet oder kommt, wenn ihr esst oder
trinkt, wenn ihr ausruhet und euch schlafen legt, gedenket des erhabenen Königs
des Lichts, preiset seinen Namen, und eilet zur Taufe.“ —
Obgleich in allen diesen Geboten der christliche Ursprung unverkennbar
ist, und, obgleich sie nur Christen in ihre Gemeinschaft aufnehmen dürfen, von
denen sie sagen, dass die Frommen unter ihnen bis zu Abathur gelangen, wie in
dem 2. Theile des „grossen Buches“ ausdrücklich versichert wird, so sind es
doch gerade diese, gegen welche in demselben am meisten geeifert wird. Namentlich
sind es 2 Dinge, die sie ihnen vorwerfen: das Mönchswesen und die Bilderverehrung.
Das Erstere, sagen sie, erzeuge die grösste Sittenlosigkeit, und das
Zweite sei offenbarer Götzendienst ein Beweis, dass dieses ihr Hauptwerk zu
einer Zeit geschrieben sein muss, in welcher beides schon sehr überhand genommen
hatte, und ausgeartet war.
Aus den eben angeführten Sittengesetzen geht hervor, dass alles Fasten
bei ihnen verboten ist. Dennoch sagen sie aus'Furcht vor den Muhammedanern,
dass sie ein lOtägiges Fasten haben, und beobachten diess auch scheinbar. Von
Adam bis auf Abraham beteten sie dreimal am Tage und zweimal in der Nacht;
von da bis auf Johannes den Täufer hielten sie noch die 3 Gebete am Tage;
seit dieser Zeit beten sie nur zweimal, am Morgen und bei Sonnenuntergang;
aber auch dieses ist jetzt fast ganz auf den Sonntag beschränkt. Denn dieses
ist ihr heiliger Tag, und er gilt ihnen für so heilig, dass sie ihn als einen der
höchsten Engel, und Bruder des Hibil Siva verehren. An diesem Tage haben
sie Gottesdienst, und alle Arbeit ist ihnen verboten; doch halten sich die Laien
nicht streng an dieses Gebot. Der Donnerstag in jeder Woehe ist zwar dem
Hibil Siva geweiht, aber es findet kein Gottesdienst an demselben Statt, aueh
dürfen sie da ihre Arbeiten verrichten. Ausserdem haben sie noch 4 grosse
Feste. Ihre Kalender werden von den Priestern angefertigt, wofür sie besondere
schriftliche Anweisungen haben sollen. Die Eintheilungen der Zeit, als eigentliche
Beschränkungen, sind von den Dämonen, den Sternbildern, entnommen;
es.finden sich jedoch darin auch Beziehungen zu der Lichtwelt. Nach der An_-
gabe des Priesters rechneten die Mandäer bis auf Johannes den Täufer nach
den Jahren von Schum (Sem) dem Sohne des Nu (Noah), von da bis auf Mohammed
nach den Jahren Johannes des Täufers, seit Muhammed aber nach den
Jahren der Hedschra. Aber sie haben nicht Mond-, sondern Sonnenjahre, nnd
bei der Angabe eines Jahres setzen sie jedesmal den Wochentag hinzu, auf welchen
der Neujahrstag in diesem Jahre fällt. Ihr Jahr hat 12 Monate nach den
12 Bildern des Thierkreises, daher sie dieselben aueh nach diesen Sternbildern
benennen, und jedes Sternbild beherrscht seinen Monat; aber ihre Sternbilder
fallen nicht mit den unseligen zusammen, da in dem Jahre 1854 den 23. Februar
der Monat des Löwen begann, während ich in einem zu Venedig erschienenen