
sie auch nicht leicht sich bewegen lassen, auf türkisches Gebiet sich über-
zusiedeln, wo sie viel freier leben, und, wenn auch verachtet, doch den Misshandlungen
der Muhammedaner bei Weitem weniger ausgesetzt sind, als
unter den fanatischen Schiiten. Sämmtliche Juden in Lär und in Meschhed
sind zu dem Islam libergetreten. Viele von den Juden haben den Glauben
an die Seelenwanderung, die in neuern kabbalistischen Schriften gelehrt
wird, und von einem deutsch-polnischen Juden R. Jizchaq Loria, Ari (m»
von den Anfangsbuchstaben der Worte p n i f 13$ W 7K) genannt, herrühren
soll. Dieser lebte und starb im vorigen Jahrhundert bei Safed in der Höhle
des Rabbi Schimeon bar Jochai, auch bloss Mar Jochai genannt; in ihm soll
die Seele des Mar Jochai und die des Messias gewesen sein. Sie haben auch
eine Legende von den beiden Söhnen Aaron’s, Nadab und Abihu, welche
(nach Lev. 10, 1.) fremdes Feuer in die Stiftshütte brachten, und von dem
göttlichen Feuer verzehrt wurden. Sie sagen, wer diese beweint, wird von
seinen Kindern überlebt, was natürlich Jeder wünscht. Diese Sage hat einige
Analogie mit der der Schiiten von Husein, dem Sohne Aly’s .— In Schiräs
wurde uns die Zahl der Juden auf 80 Familien angegeben; in Sharün
u v ! j , einem 3 Tag ereisen südlich von Schiräs gelegenen Orte, sollen 70
steuerpflichtige Juden leben.
Donnerstag, den 29. Juni, besuchten wir die ausserhalb der Stadt gelegenen
Gräber der beiden Dichter Hafis und Sä’di. Ein Diener des Chän’s
bot sich uns zum Begleiter an, und überredete uns, Pferde aus des Ghän’s
Marstall zu nehmen. Da mein Arm mich noch immer sehr schmerzte, so
verlangte ich von ihm, dass er dann nur im Schritt reiten dürfe, was er auch
versprach. Mahmud, Mr. Brühls Diener, begleitete uns. Wir ritten: etwa
ßi/a Uhr Morgens aus, zuerst bei dem Grabe des Imam Schamir (Schah
Mir?) Hamza vorbei, sahen mehrere hübsche, ummauerte Gärten nahe der
Strasse, die nach Sergün führt, und kamen nach etwa l/2 Stunde zu dem
rechts an derselben Strasse liegenden, ummauerten Begräbnissplatze, in des-,
sen Mitte das Grab des Hafis war. Ehe wir an den Begräbnissplatz kamen,
mussten wir noch über eine steinerne Brücke reiten, welche über ein aus-
getrocknetes Flussbette erbaut war. Der Grabstein über Hafis’ Grab bildete
gleich allen ändern ein längliches Viereck, war von weissem, schon vergelb-
tem Alabaster, auf der obern Seite war ein Gedieht von ihm eingegraben.
Fromme Sehiräser lassen sich wohl noch jetzt in seiner Nähe begraben —
denn er hat das Glück, dass alle seine Gedichte, welche nur von Liebe und
Wein sprechen, und den Anstand oft zu verletzen scheinen, mystisch aufgefasst
und daher viel gelesen werden — wenigstens sahen wir nahe dem
Eingänge eine Anzahl Frauen um einen Leichenstein kauern und weinen.
Ein grösser Theil des ummauerten Platzes, rechts von dem Eingang, ist an
den Ecken mit Bäumen bepflanzt, in der Mitte mit Blumen, und eine offene
Halle mit Seitengemächern weist in einen ebenfalls ummauerten Platz von
gleichem, wo nicht grösserm Umfange als der Begräbnissplatz, welcher einen
schönen mit Bäumen und Blumen zierlich und geschmackvoll bepflanzten
Garten umschliesst. In der Mitte ist ein grosses Blumenbeet mit hohen Cy-
pressen zu beiden Seiten.
Wir setzten uns wieder zu Pferde, und ritten erst in gerader Richtung
bis zu dem Kloster und Garten der 40 Derwische, vor welchem Soldaten in
weissen Zelten gelagert waren. Von da drehte sich der Weg nach rechts,
dem kahlen Gebirge entlang, welches hier erst beginnt, und dann links gewendet
auf der Ebene zwischen den Gebirgen fort, bis man bei einem Garten
vorbei nach ebenfalls 1/4 Stunde hinter einigen Wohnungen an das Grab
von Sä’di gelangt. Diess liegt ebenfalls in einem ummauerten, weiten
Viereck, in dessen Mitte ein Garten angelegt ist. In einer offenen Halle ist
der Grabstein von Sä’di an der der Thüre gegenüber liegenden Seite von
röthlichem Sandstein oder schlechtem Marmor, worauf ein Gedicht von ihm
eingegraben ist. Der Grabstein ist ungefähr ebenso hoch als der von Häfis,
und gleich hoch die Stufe zu der Halle. Sein Grab ist weit weniger verehrt
als das des Häfis, dessen Genialität ihm zwar abgeht, dem er aber auf der
ändern Seite wegen der Reinheit der Sitten und des Adels der Gesinnungen,
welche sich in seinen Schriften kund geben, weit vorzuziehen ist. Ich möchte
ihn mit unserm Geliert, Häfis aber mit Heine vergleichen, obgleich er ihn
an Tiefe des Gemüths und der Anschauung weit übertrifft. — In einiger E n tfernung
von dem seinigen sind nur noch 2 Gräber mit aufgerichteten Grabsteinen,
worauf die Figuren der beiden Verstorbenen eingemeisselt sind.
Ausserhalb der Mauer ist an derselben Seite eine Quelle schönen klaren
Wassers, zu welcher man auf etwa 15 Stufen hinuntersteigt. — Der Aufseher
von Sä’di’s Grab beschenkte uns mit einigen Rosen, welche vor demselben
wuchsen.
Die Rosen von Schiräs haben — ich weiss nicht, wodurch — eine
grosse Berühmtheit erlangt. Ich fand sie weder schöner, noch wohlriechen-
P e t e r m a n n , Reise im Orient. II . 12