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auch dieses war schon halb in Verfall. — In el Dsehisr lagerten wir uns auf
einem Moorgrnnd voller Löcher, der böse Dünste verbreitete, so dass ich
fürchtete, wir würden uns ein Fieber zuziehen; zudem war er so voller
Mücken und Muskito’s, dass ich ganz zerstochen wurde, und fast gar nicht
schlafen konnte.
Den 9. brachen wir gegen 5 Uhr wieder auf, und hatten einen sehr
beschwerlichen Ritt, zuerst durch den tiefen Moorgrund bis zu dem Dorfe
Bembe, dann einen hohen, steilen Berg hinan, auf der ändern Seite ebenso
wieder hinunter, und einen gleich hohen und steilen Berg hinauf, auf dessen
Spitze das Dorf Sebha von vielen Maulbeerbäumen umgeben liegt. Dann
ging es wieder den Berg hinunter in eine grosse, weite Ebene. Rechts sahen
wir einen langen, weit ausgedehnten See unter den hohen Bergen, auf deren
einem wir noch Schnee bemerkten. Auch diese Ebene war anfangs ganz
moorig, später kamen wir auf festen, steinigen Weg. Von fern sahen wir
zur Linken hoch oben auf dem Gipfel eines Kalksteinfelsen die alte Festung
von Antiochien. Wir hatten aber noch lange an der Seite der Felsen ent-
lange zu reiten, bis wir in die Stadt gelangten. Der Weg wurde, je näher
wir an Antäkia kamen, desto beschwerlicher, sehr steinig, mit zahlreichen
Ueberresten der alten Römerstrasse. Endlich ritten wir an Oleandersträuchen,
die ich seit Schiras hier zum ersten Male wieder begrüsste, und welche
mit einer wohlriechenden Iris, die ebenfalls wild wächst, abwechseln, ent-
lang, durch ein altes Thor, dann zwischen Gärten auf alter Römerstrasse
noch eine weite Strecke, und gelangten nachher erst in die offene Stadt, deren
Häuser mit Ziegeln gedeckt sind. Wir ritten auf dem theilweise sehr
schlechten Pflaster mitten durch, bei einer Naqüra (Wasserleitung) vorbei,
welche die Stadt mit Wasser versieht, über die Brücke des Orontes, und
lagerten uns hinter dem Begräbnissplatz neben Col. William Barker’s Zelten.
Bald nach unserer Ankunft begann ein lang anhaltender Nebelregen.
Ueberhaupt soll Antdkia (Antiochien) von Regen sehr heimgesucht sein,
und daher den Beinamen schechächa erhalten haben. — Wir wurden bei
Mr. White, dem englischen Viceconsul zum Diner, und bei Dr. Thompson
zum Thee eingeladen. Wir gingen zuerst zu Letzterm, der seiner Gesundheit
wegen, und weil ihm der Aufenthalt besonders zusagt, sich in Antdkia
niedergelassen hat, als Arzt fungirt, und zugleich mit seiner liebenswürdigen
Gattin, die, weil sie von Mutterseite aus Hamburg stammt, auch deutsch
spricht, aus eignem Antriebe als Missionar thätig ist. E r findet namentlich
Antäkia (Antiochien). 367
bei den Armeniern in Antdkia, so wie auch in Sueidfje, dem alten Seleucia,
und in Kessäb, wo ebenfalls viele Armenier sind, grosse Geneigtheit; auch
Juden zeigen sich dem Christenthum geneigt, und verlangen, das neue
Testament zu lesen.
Antiochien, sehr anmuthig am Fusse des Gebirges gelegen, zählt noch
etwa 10,000 Einwohner, von denen nicht ganz ein Drittel Juden und Christen,
nämlich grossentheils Griechen, weniger Armenier, sind. Dr. Thompson
behauptete, dass in der Nähe auch noch einige Ueberreste von den alten
Persern und von Jesidi’s zu finden seien, und dass die Nosairi oder Ansairije
wenig Analogie mit den Drusen haben. Er ist wohlhabend, ohne reich zu
sein, und interessirte sich besonders für eine Eisenbahn, die von Sueidije
über Antäkia und Häleb bis an den Euphrat geführt werden sollte. —
Mr. White, der englische Viceconsul, hatte eine Katholikin geheirathet, und
war in Folge dessen zu der katholischen Kirche übergetreten.
Erst gegen 11 Uhr in der Nacht kamen wir in unser Zelt zurück. In
der Nacht regnete es sehr stark, und der Wind trieb den Regen auf mein
Bett, so dass ich den Regenschirm darüber aufspannen musste. — Lange
vor Tagesanbruch standen wir auf, unsere Packthiere gingen voran, wir
folgten gegen Sonnenaufgang mit den Uebrigen nach. Zuerst ritten wir in
ganz nördlicher Richtung die Ebene entlang, und hatten mehrere Bäche zu
passiren. Nach etwa 1/2 Stunde kamen w ir'an das Dorf Kawäsi, ritten in
der theilweise sumpfigen Ebene fort, verirrten uns aber, und waren genö-
thigt, durch Dick und Dünn nach dem rechten Wege zu steuern. Dieser
Weg war theils sandig, theils steinig, theils auch, wie es schien, der Ueber-
rest einer alten Römerstrasse, und dann wieder theilweise morastig, zog sich
am Fusse der Gebirgskette, die zu unserer Linken lag, und rechts in einiger
Entfernung von dem grossen See, hin, bis wir in das Gebirge selbst nordwestlich
einbogen, und nach etwa 6 Stunden an Chan Karamüt kamen, wo
wir frühstückten. In unserer Begleitung war Mr. Stuart, der Assistent von
Col. W. Barker, welcher mit Pferden, Saumthieren und Zelten nach Isken-
derün ging, um sie von da nach Konstantinopel zu transportiren. Kurz nach
12 Uhr machten wir uns wieder auf, ritten tiefer in das Gebirge hinein,
sahen in demselben links auf einem Hügel die Ruinen eines Kastells, ritten
dann mehrere Berge steil auf und ab, zum Theil über eine alte, gepflasterte
Römerstrasse, und erreichten gegen 3 Uhr Bailän, wo wir uns aber diessmal
nicht aufhielten. Wir ritten durch das Städtchen, und an der entgegen