
Nach der Versicherung des Molla Säleh sollten unter den Muhammedanern
Bagdäd’s 5000 Bahi’s sein, welche aus Persien dahin geflohen waren.
Unter denselben war auch eine junge Frau gewesen, Namens Qurrat el ’ain
(„Erfrischung des Auges“), welche von ihnen förmlich verehrt wurde. Sie
war ausgezeichnet durch ihre Schönheit, wie durch ihre-Kenntnisse. Ne-
dschib Pascha lieferte sie den Persern aus, viele Hunderte folgten ihr, und
wurden mit ihr getödtet. Nach des Molla Behauptung sind die Bahi reine
Unitarier, verachten den Qor’än, Jeder sagt von sich, er sei Muhammed,
Hasan, Husein, sie hassen die Muhammedaner, vornehmlich aber die Schiiten,
haben eigene Religionsschriften, und er selbst sah eine solche hei ihnen,
verrathen einander nicht, lügen nicht, und lehren völlige Gütergemeinschaft
in a lle n Stücken.
In der Regel entwirft man sich wohl von Bagdad, der gefeierten Residenz
der abbasidischen Chalifen, ein viel zu schönes Bild. Allerdings erscheinen
die Ufer des langsam fliessenden und majestätischen Tigris mit den
Palmenhainen zu beiden Seiten dem Europäer reizend, aber das Innere der
Stadt ist keineswegs schön zu nennen. Sie unterscheidet sich, wenn man
die schönen Kuppeln und Minarets ausnimmt, nur durch ihre Grösse von
ändern Ortschaften des Orients. Die meist engen, winkligen Gassen sind
durchgängig nicht gepflastert, und daher zur Regenzeit oft kaum zu passi-
ren, die Basare nur zum Theil überwölbt, und auch die Häuser im Innern
sind ganz einfach und schmucklos. Das Haus von Mr. Brühl hatte in dem
geräumigen, mit Quadersteinen gepflasterten Hofe rechts eine offene Halle,
Iwan in Bagdad genannt, und daneben 2 Zimmer, unter welchen der grosse
Keller war, der während des Sommers am Tage als Wohnung benutzt wurde;
bei dem Eingang desselben führt eine Thüre durch einen zweiten kleinen
Hofraum nach der Küche. An der mittlern Seite, der Hausthüre fast gegenüber
war ein zweiter grösserer Iwan; in dem erstem schlief Mr. Brühl selbst,
in dem zweiten frühstückten und assen wir zusammen, und in demselben
hauste ich hei Tag und bei Nacht, da ich hier am Abend mein Bette auf-
schlagen liess. Auf dem Dache konnten wir nicht mehr schlafen, da die
Regenzeit heranrückte. Am 22. Oetoher fielen die ersten liegentropfen.
Noch bis Mitte November waren die Nächte sehr warm, so dass die einfache
Steppdecke mir zu heiss wurde, nur vor Sonnenaufgang wurde es kühl. Ich
zog daher die offene Halle dem eingeschlossenen Zimmer vor, welches mir
Mr. Brühl freundlichst zum Nachtquartier anhot, da ich in demselben vor
Hitze nicht schlafen konnte, und blieh den ganzen Winter in dem Iwan.
Neben diesem führte eine kleine Treppe auf einen hölzernen Ueberbau mit
einem Vorflur, der an 2 Seiten Divane hatte, und einem geräumigen Zimmer
mit Divanen an 2 Seiten, Stühlen, Tisch und einem Kamin; vor demselben
war noch eine kleine Gallerie. Das Zimmer mit dem Vörflur war mit Teppichen
.belegt, ebenso der Iwän, den ich bewohnte, und der an den 3 Seiten
Divane hatte. Hier empfingen wir gewöhnlich die Besuche, welche zu mir,
oder zu uns Beiden gemeinschaftlich kamen, Mr. Brühl aber pflegte mit
denen, welche ihm allein galten, auf den Vorflur des Ueberbaues zu gehen.
Den 29. und 30. October regnete es sehr stark, und den 4. November
hatten wir ein starkes Gewitter, welches gegen Abend anfing und bis Mitternacht
dauerte; es regnete dabei nur wenig, aber die Luft wurde dadurch
doch etwas abgekühlt. Darauf hatten wir wieder 8 Tage lang die schönste
Witterung, welche uns öfter zu Späziergängen ausserhalb der Thore am
späten Nachmittag einlud, wobei mir merkwürdig war, dass die Kinder uns
öfter „Hartmann“ nachriefen. Ich habe den Grund davon nicht erfahren
können, und niemand wusste, dass Einer dieses Namens je in Bagdad gewesen
sei. Den 11. November wurde der Himmel wieder etwas bedeckt, und
liess baldigen Regen erwarten, der aber erst gegen Ende des Monats eintrat.
Zu Anfang des November war in Bagdäd die Nachricht verbreitet, dass
die Russen bis Erzerum vorgedrungen seien. Sie war über Ispahän von
Teherän gekommen, und fand daher wenig Glauben, da man wohl nicht mit
Unrecht vermuthefe, dass sie von den Russen selbst ausgesprengt worden
sei; um den Schah zu bewegen, aus Furcht vor der russischen Uebermacht
sich ihnen anzuschliessen. Allerdings schien derselbe sich auf die Seite der
Russen zu neigen, war aber genöthigt, seine N eutralität zu behaupten, theils,
weil sein Schatz von allen Geldmitteln entblösst war, theils, weil er die
Engländer zu sehr fürchtete, welche schnell ein Heer aus Indien kommen
lassen, und ihn gewaltig in die Enge treiben konnten. Uebrigens sollen die
persischen Truppen trotz der deutschen und anderer europäischer Instruc-
teure sehr schlechte Soldaten sein. Man erzählt, dass Abbas Mirza, der de-
signirte Thronfolger und Sohn von Feth ’Aly Schah, Grossvater des jetzigen
Schah, welcher den Krieg gegen Paskewitsch leitete, einst 10,000 Mann
seiner Truppen, die er. nicht mehr nöthig hatte, nach ihrer Heimath entliess.
Als er sie am späten Nachmittag desselben Tages noch auf dem Lagerplatz
fand, und nach der Ursache ihres Verbleibens fragte, entgegneten sie ihm,