
wo möglich geräumigeres Zimmer zur Kapelle einrichten konnte, und das
zugleich in der Nähe des Generalconsulates war. Zufällig fand sich ein
solches, welches allen diesen Forderungen entsprach. Es war dicht neben
dem Palais des Col. Rawlinson in der ziemlich breiten Gasse, in welcher die
meisten Engländer wohnten, am Ufer des Tigris mit der Aussicht nach dem
gegenüber liegenden Stadttheil und den diesen umgebenden Palmengärten,
und ziemlich geräumig. Ein anderer Engländer wünschte diess ebenfalls
zu miethen; aber die Besitzerin schickte ihren Bevollmächtigten zu Mr.
Brühl, und liess ihn förmlich bitten, es zu nehmen, da sie es Jenem durchaus
nicht vermiethen wolle, ob er gleich eine höhere Miethe ihr zu zahlen
versprach. Der Bevollmächtigte — beiläufig gesagt, ein Nachkomme von
Abu Bekr, dem Nachfolger Muhammed’s — kam nun mit einem Molla und
und einem Schreiber zu ihm, liess sich, wie diess gewöhnlich ist, da die Muhammedaner
unbegreiflicher Weise stets in Geldnoth sind, die Miethe auf
3 Jah re pränumerando, in dem Betrage von ungefähr 500 Thalern vorauszahlen,
und übergab ihm den Contract und die Schlüssel des Hauses. So
glaubte sieh Brühl im sichern Besitz desselben, und wir Hessen diesen und
den folgenden Tag unsere Sachen durch Lastthiere und Träger dahin schaffen.
Am Abend des zweiten Tagen schickte die Hausbesitzerin einen Diener
zu Mr. Brühl, und liess ihn um den Hausschlüssel bitten, da jener Engländer
einige Fenster und Thüren, die seinem früheren Compagnon und Bewohner
desselben Hauses gehörten, beanspruche, und ihren Bevollmächtigten in das
Gefangniss habe werfen lassen. Brühl bat ihn schriftlich, den Mann frei
zu gehen, und damit bis zum nächsten Morgen zu warten. Der Brief kam
unerbrochen zurück. Den folgenden Morgen kam niemand, jene Fenster
und Thüren zu holen; dagegen verlangte nun Jen e r das Haus, und behauptete,
es früher gemiethet zu haben. Die Sache gelangte an den Gerichtshof,
und Jener brachte 30 falsche Zeugen, und zwar Seid’s vor, welche
einmüthig trotz der Gegenrede des Bevollmächtigten diesem in das Gesicht
behaupteten, jener Engländer habe in ihrer Gegenwart von ihm selbst
2 Tage früher als Mr. Brühl die müncUiche Zusicherung erhalten, dass er
ihm das Haus vermiethen wolle. Brühl’s Bevollmächtigter, ein jüdischer
Proselyt —- er selbst woHte und konnte nicht gut hiagehen, weil er sich dadurch
selbst unter das türkische Gericht gestellt hätte — wollte die Zeugen,
um sie zu prüfen, einzeln verhören lassen. Diess wurde ihm aber von dem
Stellvertreter des Qadhi, welcher entweder auch bestochen, oder auf irgend
eine Weise für den Ändern gestimmt worden war, sehr übel genommen, indem
er ihm sagte,, dass gegen die Aussage von Söid’s ein Christ keinen
Zweifel erheben dürfe. Genug — durch diese Zeugnisse wurde der geschriebene
Contract Brühls zu nichte gemacht, und zum Ueberfluss liess der
Andere die Hausbesitzerin auf alle Weise durch Bitten, Versprechungen und
Drohungen bearbeiten, so dass diese endlich ihre Zustimmung gab. Sie
wählte einen ändern Bevollmächtigten, und Hess einen ändern Contract aufsetzen,
der um 2 Tage früher als jener, den sie mit Mr. Brühl abgeschlossen
hatte, datirt wurde, gab die vorausgezahlte Miethe zurück, und wir waren
nun genöthigt, unsere Sachen wieder in die alte Wohnung schaffen zu lassen.
Es muss auffaHend erscheinen, dass es dem Engländer möglich war, so
viele falschen Zeugen herbeizuschaffen. Diess erklärt sich aber einfach
daraus, dass viele arme Araber damit einen förmHchen Erwerbszweig treiben.
Namentlich sind es Bewohner von den Städten Ana und Hit am Euphrat,
wo viele Sö'id’s leben. Diese kommen nach Bagdad, und halten sich den
ganzen Tag während der Zeit, da in der' Mehkeme, dem Gerichtshöfe,
Sitzungen sind, in dem Kaffeehause daneben auf, um, sobald es erfordert
wird, für wenige Piaster jeden beUebigen Zeugeneid zu schwören.
Ein interessantes Intermezzo bildete eine muhammedanische Hochzeit, zu
welcher die meisten Engländer, und darunter auch ich, da ich für einen Solchen
gehalten wurde, eingeladen waren. — Wenn ein Moslem in Bagdäd, so berichtete
mir mein alter MoUa, den ich darum befragte, sich verheirathen wiH,
so geht er zu dem Imam seiner Mahalle, d. i. seines Stadtviertels, und sagt
ihm, dass er sich das Mädchen oder die Wittwe N. N., Tochter des N. N.,
zur Frau erkoren habe. Auf dessen Frage, ob sie mit ihm einverstanden
sei, erwidert er „ja“. Dann lässt sich der Imam von ihm sagen, wie viel er
ihr bei der Hochzeit, und, welche Summe er ihr für den Fall, dass er früher als
sie sterbe, oder sie entlasse, zu geben bestimmt habe ? E r sagt ihm Beides, und
der Imäm begiebt sich darauf zu der Braut, und fragt sie in Gegenwart ihrer
Angehörigen. Anfangs schweigt sie verschämt, dann gesteht sie ihm, dass
sie einig seien, und sagt ihm die Mitgift. Nun muss sie einen Vormund
stellen. Dieser ist entweder ihr Vater, oder, wenn dieser schon gestorben
ist, ihr Oheim von Vatersseite oder ihr Bruder. Auch der Bräutigam steHt
einen Vormund. Darauf schreibt der Imam den Ehecontract, untersiegelt
ihn — nämlich mit Tinte, wie diess überall, auch bei aHen Briefen und Bescheinigungen
geschieht, nicht mit SiegeUack - und lässt ihn neben und
P e t e r m a n n , Reise im Orient. II. 19