
4 Uhr Nachmittags ritten wir durch das Thor Bäb el Muschkije in die Stadt,
welche malerisch an dem Südabhange des Felsens gebaut ist, aber nur den
obern Theil desselben einnimmt. Wir stiegen in dem Kloster der syrischen
Katholiken ab, da das der Kapuziner noch im Bau begriffen war, und keinen
Platz gewährte, und erhielten das Zimmer des Maträn Antun, welcher damals
.zu der Patriarchenwahl abgereist war. — Vor 31 Jahren gab es in
Märedin nur 10 syrisch-katholische, d.h. von den Jakobiten zu demKatho-
licismus übergetretene Familien. Da trat der jakobitische Maträn Antun
mit noch 3 ändern Matranen zu ihnen über. Die Veranlassung dazu gaben
die Bedrückungen, welche jene 10 Familien von dem jakobitischen Patriarchen
erfuhren, der 1 Stunde östlich von Märedin in dem Kloster Der Sa’-
ferän residirt. Maträn Antun, Matran von Diarbäkir und Märedin, und
Maträn Isa, jetzt Maträn von Mosul und Bagdäd, wurden auf Betrieb des
jakobitischen Patriarchen 18 Monate lang in der Festung von Märedin in
strenger Haft gehalten; dann aber freigelassen, vermehrte Maträn Antun die
Zahl der syrischen Katholiken so sehr, dass sie jetzt 220 Familien stark
sind, mit einer der Jungfrau Maria geweihten Kirche. Die syrischen Katholiken
oder katholischen Syrianer haben 6 Bischöfe*): Maträn Antun in
Märedin, Maträn Isa über Mösul und Bagdäd, Maträn Jakub in Damascus,
Maträn Matthai in Marbek (Nebk) bei Malüla, Maträn Ju se f in Beirut, dessen
Wohnsitz das Kloster Der Scherfe in dem Libanon ist, M. Seitün (?) in
Mizad in dem Gebirge Dschebel Tür. Damals waren alle diese Matrane in
Der Scherfe versammelt, um einen neuen Patriarchen zu wählen, da der
letzte bei der Christenverfolgung in Häleb ermordet worden war. Die Geistlichen
des Maträn Antun meinten, dass wahrscheinlich ihr Bischof gewählt
werden würde, und, wie ich später erfahren, ist ihr Wunsch und ihre Hoffnung
auch in Erfüllung gegangen. — Seit 17 Jahren sind in Märedin auch
4— 5 Kapuziner, welche ein kleines Kloster haben. — Die Zahl der Jakobiten
beträgt 700 Familien, welche 3 Kirchen haben, von denen die eine,
die Michaeliskirche, ausserhalb des südwestlichen Thores liegt. —- Ferner
sind in dieser Stadt 500 armenisch-katholische Familien, deren Maträn
Jusef 2 Jah re vorher Streit mit seiner Gemeinde gehabt, und in Folge dessen
sich nach Häleb gewendet hatte. Seitdem ist in Märedin nur 1 Superior.
Die Kirche derselben ist alt und soll nach dessen Versicherung vor 1200
*) Vgl. 1. Band. p. 127.
B a h r e n erbaut sein*, doch soll die eine der beiden jakobitischen Kirchen
Hmerhalb der Stadt aus noch früherer Zeit herrühren. Der armenisch-katho-
B s c h e Patriarch (Katholikos von Sis in partibus) Grigor in dem Kloster
Äsommä r des Libanon, den ich besucht hatte (s. Bd. I., S. 332), ist das
B g en tlich e Oberhaupt aller katholischen Armenier in ganz Asien, mit allei-
■ iK e r Ausnahme derer von Kleinasien, wo sie aber nur in Angora gefunden
Rrerden; diese stehen unter dem Titular-Patriarchen von Konstantinopel,
B le i c h e r eigentlich nur Maträn ist. — Die chaldäischen Christen zählen 60—
» 7 0 Familien, und datiren sich seit etwa 300 Jahren. Nestorianer giebt es
■ n Märedin nicht, auch keine Protestanten. Im Ganzen sind in Märedin 4
■katholische und 4 nichtkatholische Kirchen. Bei den katholischen Syrianern
B ie rd en die Liturgie, Evangelien und Briefe zum Verständniss des Publi-
Bkums in der Kirche auch arabisch gelesen, da die ganze Bevölkerung ara-
■biseh spricht. Die Jakobiten haben in Märedin 2 Schulen, die katholischen
■Syrianer, die katholischen Armenier und die chaldäischen Christen jede
■ 1 Schule, die Kapuziner 1 Knaben- und 1 Mädchenschule. Ausserdem fin-
■den sich hier noch 50 jüdische Familien mit einer kleinen, uralten Synagoge,
■und sogenannte Schemsije (Sonnenanbeter), von denen behauptet wird, dass
■sie gleich den Drusen ein Kalb verehren. Diese halten sich, da nach dem
Bmuhammedanischen Gesetze nur Solche geduldet werden, welche eine sehrift-
Bliche Offenbarung haben, also Christen und Juden, zu den Jakobiten, und
■ nehmen auch Priester von ihnen an. Die Hauptbevölkerung dieser Stadt
■besteht aber aus Muhammedanern, welche 2500 Familien stark sein sollen,
■ und 13 Moscheen haben. Die Namen der grossen Moscheen sind folgende:
■ Dschami el Muschkije, Dsehami el Asfar, Dsehami Bendsch Ali, Dschami
I el Latif, Dschami el Kebîr, Dschami el Schellid, el Médrese, Dsehami Bäb
B e s Sûr und Dschami Beit Husein Agha. Die Zahl sämmtlicher Bewohner
B s°ll sich auf 15000 belaufen. Es sind noch 4 öffentliche Bäder in der Stadt:
■ Hamâm Maristan, Hamäm Bäb el Dschedid, Hamâm Bäb es Sûr und Ha-
■ mäm el Dschami, ein fünftes ist zerstört. Die Thore von Märedin heissen:
I Bäb el Muschkije im Westen, zu welchem wir eintraten, Bäb el Dschedid,
■ auch Bäb Mar Michael genannt von der jakobitischen Kirche vor demselben,
I im Südwesten, ein zweites Bäb el Dschedid, auch Bäb Mirza Pascha gern
nannt nach dem Erbauer desselben, im Süden, und Bäb es Sûr am Ostende
■ der Stadt. Märedin hat auch ein altes, aber jetzt zerstörtes Serai (Palast).
B In Friedenszeiten hat es zwischen 300— 1000 regelmässige Truppen, welche
P etbrmann, Reise im Orient.. TI. 3
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