
Morgens langten wir in dem ziemlich bedeutenden Städtchen Dehäk an,
welches ebenfalls viele Baumgärten und einen Bach mit schönem, frischem
Wasser hat. Da es hier keine ordentliche Karavanserai gab, so nahmen wir
in der offnen Seitenhalle eines Hausflurs, hinter welchem der Hofraum war,
Platz, wobei ich den kleinen Unfall hatte, bei dem Absteigen vom Pferde
von dem unsers G-holäm an das Schienbein geschlagen zu werden; doch vergingen
die Schmerzen bald. Kurz vorher war ich, als ich eine Strecke allein
ritt, 2 Fussgängern begegnet, deren Einer mir die Worte ala ainak
¿Luc. „auf dein Auge“ zurief. Ich wusste nicht, was er damit sagen wollte,
und ignorirte es daher. Später erklärte es mir Mr. Brühl’s Diener, und
sagte mir, es sei eine Verwünschung gleich dem persischen balai tscheschmet
^ — ? was dasselbe bedeutet, und bezeichne „es möge dir etwas
in das Auge fallen, dass du erblindest.“ .
Von hier an sollte die Strasse noch gefährlicher sein, daher uns der
Gouverneur des Ortes eine starke Sauvegarde mitgeben wollte. E r hatte
aber seine Leute gegen die Bachtijäri ausgeschickt, und, da sie nicht zurückkamen,
so mussten wir noch 1 Tag dort bleiben. Aber auch den ,2. Tag
blieben sie aus, daher wir ohne sie und ohne die Karawane Freitag Abend,
den 1. September, uns auf den Weg machen wollten, kamen aber erst gegen
3 Uhr Morgens fort. Es giebt 2 Wege von da nach ßahmetabad, der nächsten
Station; der eine rechts über Durr, welches in der Mitte liegt, schien
weniger sicher, daher wir den ändern, welcher mehr links sich wendet, vorzogen.
Nach etwa 1 Stunde sahen wir rechts von der Strasse in einiger
Entfernung das Dorf Chundab, links lag Eliabad. Weiterhin lagen links
die Dörfer Esmein, Dumab und andere; dort war an der Strasse eine alte
Karavanserai oder Festung aus Quadersteinen erbaut, und weiterhin rechts
eine ebenfalls alte, unbrauchbare Festung aus Lehm. Der Weg war steinig,
und führte über Thonschiefer; wir durchschnitten 2 kleine Thäler mit Felsen
zu beiden Seiten. Unterweges fanden wir den niedrigen Dornenstrauch mit
kleinen rothen Blümchen, ein wohlriechendes Kraut, arabisch ’Attar Schok
(¿Jy£, j l iu-C. , persisch Joschün genannt, an feuchten Stellen viel Süssholz.
Gegen 10 Uhr Morgens erreichten wir, Sonnabend, den 2. September, Rah-
metabad, welches terrassenförmig an die Ostseite eines Felsens angebaut ist.
A u f den Feldern fanden wir viel Baumwolle; der Fluss Sainetrud blieb links
hinter den Bergen. Wir fanden in diesem fanatischen Orte in den Gemächern
einer Art von Moschee ein Unterkommen — die andere Seite, von
einem Mollä bewohnt, welcher darin Schule hielt, durfte selbst Mahmud
nicht betreten. — Hier verabschiedeten wir unsern Gholäm.
Mit Sonnenuntergang machten wir uns wieder auf den Weg; es ging
aber sehr langsam, die Qatirdschi’s wollten nicht von der Stelle; wir ritten
durch mehrere Thäler, und waren um 10,/2 Uhr noch einen Büchsenschuss
von Chombidsch entfernt, welches auf der Mitte des Weges liegen sollte, als
Mr. Brühl merkte, dass er im Schlafe eine seiner beiden Pistolen verloren
hatte. Wir stiegen ab, und schickten 2 Diener aus, sie zu suchen; sie blieben
wohl über 1 Stunde weg, kamen aber dann mit leeren Händen zurück.
Einer der beiden Qatirdschi’s machte sich darauf für ein bedeutendes Geldgeschenk
anheischig, sie wieder zu bringen; wir ritten nun schnell weiter,
kamen aber doch erst gegen 5 Uhr Morgens in Kulpagün an. Diess ist eine
lang ausgestreckte Stadt mit vielen Gärten an der Südseite. Wir ritten in
die ziemlich neue Karavanserai, wo wir in einem obern Zimmer neben dem
Thore uns niederliessen. Auch diese Stadt ist halb in Ruinen. Es wohnen
hier nach der Versicherung des jüdischen Molla, des Rabbinen, welcher Mr.
Brühl besuchte, 35 jüdische Familien, nach einem Ändern aber, deren 61.
Diese verschiedene Angabe kommt daher, dass viele Juden nicht stationär
hier sind, sondern bald in der Stadt, bald in den benachbarten Dörfern wohnen.
Früher sollen an 150 jüdische Familien in Kulpagün (oder Kulpadgün)
gelebt haben, aber jedes Ja h r 5 —- 6 derselben zu dem Islam übergehen.
Kurz nach unserer Ankunft hörten wir einen grossen Lärmen auf der Strasse,
und erfuhren, dass ein Jude und eine Jüdin übergetreten seien, und nun in
Procession durch die Stadt geführt würden. Die Jüdin war verheirathet,
liebte aber einen Ändern, und, um sich heirathen zu können, traten Beide
zu dem Islam über. Am Nachmittag wiederholte sich dieses Schauspiel, die
Jüdin wurde abermals im Triumph umhergeführt, und 2 Männer mit einer
Art von überdeckten hölzernen 4eckigen Tellern auf dem Kopf gingen
gleich vielen Ändern hinter ihr her, und sammelten Geschenke für sie.
Einige Zeit darauf kam ihr Mann zu uns, und erzählte uns, dass er so eben
von einer Reise zurückgekehrt sei, und nun gefunden habe, dass seine Frau
Muhammedanerin geworden, und all sein Hab und Gut mitgenommen habe.
Dabei habe sie ihr kleines Kind, welches sie noch säugte, zurückgelassen,
und er fürchte, dass dieses nun sterben würde. Auf unsere Frage, wie alt
das Kind sei, erfuhren wir, dass es schon über 2 J a h r alt war. E r sagte,
jener Mann werde die Frau nach 2 Monaten heirathen, und verlangte Hülfe
P e t e r m a n n , R e i s e im O r ie n t . I I . j g