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lieh ist es in früheren Zeiten eben so reich an Wäldern
gewesen, wie noch gegenwärtig Deutschland und Rufsland,
obgieicli auch lüer die Cultur des Bodens schon grofse
Fortschritte gemacht hat. Welch einen herrlichen
Anblick gewähren uns die reifenden Saaten, wenn sie,
,unabsehbare Felder bedeckend, von dem leisesten Winde
bewegt w^erden; wie das hohe Meer, vom Sturme bewegt,
zeigen solche Graswälder ihren Wellenschlag, w^elcher
durch eigentluimliche Strahlenbrechung mit einer beständigen
Niiancirung der Färbung verbunden ist. Die Reisfelder
in den wärmeren Gegenden bieten einen ähnlichen
Anblick dar; so häufig zeigen sie allein in jenen tropischen
Gegenden das herrliche Grün, woran der Bewohner
des Nordens von Jugend auf gewöhnt ist.
Indessen diese niedrigen Gräser, w^elche Wiesen und
Triften bilden, sind nur den kälteren Regionen und den
kälteren Hälften der temperirten Regionen eigen; in der
subtropischen Zone und innerhalb der Wendekreise w^erden
sie durch grofse, oft baumartige Formen ersetzt;
schon im südlichen Europa beginnt ein riesenhaftes Gras,
Arundo Donax nändich, welches hauptsächlich im nördlichen
Afrika zu Hause ist, nun aber auch nach der neuen
Welt hiniibergefiihrt worden ist, wo es in den spanischen
Colonien fast überall gut gedeiht.
Die Pflanzen, welche im Allgemeinen mit dem Namen
der Gräser belegt werden, gehören zwei grofsen Familien
an, wovon die eine die wirklichen Gräser und die
andere die sogenannten Halbgräser oder Cyperoideen einschliefst.
Sowohl die Gräser wie die Cyperoideen haben
gewisse Formen, welche in verschiedeneu Zonen der Erde
besonders vorherrschend sind. In den heifsen Gegenden
sind es die Bambusaceen, die Saöcharineen, Oryzeen,
Olyreen, Chlorideen und Paniceen, welche daselbst vor
allen andern Grasformen vorherrschen, ja mitunter auch
dieser Zone allein eigen sind; die Hordeaceen, Bromeen
und Agrostideen sind dagegen extratropische Formen.
Eben dieselbe Vertheilung stimmt auch bei der Verbrei-
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tung der Gräser mit steigender Höhe. — Bei den Cyperaceen
ist die Vertheilung der einzelnen Formen noch
deutlicher; die Gattung Cyperus hat ihr Maximum in den
Tropen, und sie niramt aufserhalb der Wendekreise ab.
Die Gattung Carex hat dagegen ihr Maximum in der
Nähe des Polarkreises und nimmt gegen Norden und gegen
Süden hin ab. Die Gattungen ^Scirpus und Schoenus
greifen über das Areal jener beiden Gattungen und treten
nicht so bestimmt auf.
Wenngleich die Form der nordischen und der tropischen
Gräser so wesentlich verschiede! erscheint, so ist
doch auch bei diesen die Erscheinung des gesellschaftlichen
Wachsthumes ganz allgemein, ja in einem ähnlichen
Maafse, wie wir es an unseren nordischen Gräsern beobachten.
Die herrlichen Bambusen, welche Bäume von 30
und 50 Fufs Höhe bilden und in den Tropen und den
subtropischen Zonen beider Continente vorkommen, bilden
häufig die unabsehbarsten Wälder und sind so dicht
neben einander gestellt, dafs dergleichen Massen undurchdringlich
sind. Die Form der Bambusen ist aufserordentlich
lieblich, ihre schlanken Stämme mit winkelförmig gestellten
Aesten und den leichten Grasblättern, sind etwas
ganz sonderbares; der Nordländer erinnert sich bei ihrem
Anblicke der vaterländischen Weiden. Auch benutzt man
die Bambuse in tropischen Gegenden zur künstlichen Verzierung
der Landschaft, ganz auf ähnliche Weise, wie man
es bei uns mit der Trauerweide zu thun pflegt, und ein
schöner Rasen, wenn auch hauptsächlich durch Cyperoideen
gebildet, an seinem Umfange mit Bambusen umkränzt, wie
ich ihn in Indien gesehen habe, gehört zu den reizendsten
Naturscliönheiten.
Die Verbreitung der Bambusen, dieser baumartigen
Gräser, hat mehrere Eigenthümlichkeiten aufzuweisen;
eigentlich nur den Tropen angehörig, ist es auffallend, dais
mehrere Arten aus dieser Familie auf dei-Westküste von
Südamerika tief hinabgehen, denn man findet sie in Chile
noch unterhalb des 36sten Grades, und auf Neu-Seeland
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