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Beobachtungen in blofsen Alpenkräutern, d. h. in solchen
kleinen Pflanzen, welche auf den Gebirgen die höchsten
Gipfel bis unmittelbar zur ewigen Schneegrenze hin verzieren.
Ja selbst die Halbsträucher fehlen hier, und nur einige
wenige Arten dieser Gruppe treten als krautartige
Gewäclise innerhalb der Polar - Zone auf. Wenngleich
nur einige wenige Punkte dieser Polar-Zone von Reisenden
besucht und in botanischer Hinsicht bekannt geworden
sind, so besitzen wir dennoch ganz ausgezeichnete Arbeiten
über die Floren dieser wenigen Gegenden, welche von
Ilerrn R. Brown und Herrn Hooker herausgegeben
sind. t
Aus der Ansicht der genannten Floren geht hervor,
dafs die Vegetation dieser. Polar-Zone äufserst arm ist,
im Versältnifs zur Vegetation wärmerer Zonen, indessen
sowohl an Artenzahl wie an Gattungen, ja vielleicht sogar
an Individuen-Zahl, möchte diese Flora der entsprechenden
Vegetation auf den höchsten Gipfeln der Gebirge
nicht nachstehen. Wassermangel wärend der kurzen Sommerzeit
und felsiger unfruchtbarer Boden, stehen selbst
noch in diesen so traurigen Gegenden der Entwickelung
einer gröfseren Sommer-Vegetation entgegen.
Vergleichen wir aber die Verzeichnisse der Floren von
Spitzbergen, von Grönland, von der Baffinsbay und der
Melville's-Insel, so müssen wir über die genaue Uebereinstimmung
der Vegetation an diesen verschiedenen Or-
S. Dessen VerzeicKnlfs von Pflanzen, welche an den Küsten
der Baffins-Bay u. s» w. gesammelt worden sind. — Dessen Flora
der Melville's-Insel. — Dessen Verzeichnifs der in Spitzbergen gefundenen
Pflanzen, und dessen Nachträge su Richardson*s Polar-
Flora. Alle diese Arbeiten sind, in das Deutsche übertragen, im
ersten Bande von R. Brown's vermischten Schriften, herafasgegeben
von N. V. Esenbeclc, zu finden.
r
Verzeichnifs von Pflanzen von der östlichen Küste Grönlands
— als Appendix zu Scoresby's Journal of a Voy. to the northern
Wahlefishery; etc.
ten erstaunen. Auf der Melville's-Insel sind zwar mehrere,
dieser Gegend bis jetzt allein eigene Pflanzen aufgefunden,
doch man bedenke auch dabei, dafs an keinem anderen
Orte dieser Zone so lange und so genau die Vegetation
durchsucht worden ist als hier, und dafs defshalb zu erwarten
ist, es werden später noch mehrere, von den der
Melville's-Insel eigenen Pflanzen, auch an anderen Stelleu
dieser Zone aufgefunden werden.
Als Charakter der Vegetation dieser Polar-Zonè kann
man nur die grofse Armuth derselben aufzählen; ganze
Gegenden dieser Zone sind, wegen unfruchtbaren Bodens,
ganz vegetationsleer, f^nd an andern zeigen sich die kleinen,
meistentheils sehr niedlichen Pflänzchen dieser Zone
in mehr oder weniger grofsen, rasenartigen Ausbreitungen,
oder wenigstens nur in gesellschaftlichem Zustande, Die
hauptsächlichsten Gattungen, welche die Vegetation dieser
Zone charakterisiren, oder deren Species, wenn auch nur
einige, fast nie fehlen, sind: Saxífraga, Dryas, Papaver,
Andromeda, Juncus, Cochlearia, Cardamine, Pedicularis,
Eriophorum, Ranunculus, Pyrola, Silena, Potentilla, Salix
u, s. w. Diese Gattungen und sogar viele der Arten aus
diesen Gattungen hat die Flora dieser Polar-Zone mit
der Vegetation in der Region der Alpenkräuter gemein,
wenn auch die Entfernungen der Gebirge von dieser Polar
Zòne noch so grofs sind. Als der Polar-Zone eigenthümlich
sind folgende Gattungen zu betrachten: Parrya,
Eutrema, Platypetalum, Phippsia, Colpodium, Dupontia,
Pleuropogon u, s. w. Mehrere Arten dieser Gattungen
steigen auch wohl in die arktische Zone hinab, aber auf
den Gebirgen südlicherer Gegenden sind sie noch nicht
gefunden.
Das relative Verhältnifs der Arten, Gattungen, und
der Familien dieser Polar-Flora unter einander ist, aller
Wahrscheinlichkeit nach, ein ganz anderes, als in der arktischen
Zone, doch bis jetzt sind die Materialien zur Bestimmung
dieses Gegenstandes noch viel zu gering. Alle
hohe baumartige und strauchartige Vegetation, welche der
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