
I
Zweite Abtheilung.
Von den Verhältnissen, durch welche der Boden auf das Vorkommen
und auf die Verbreitung der Pflanzen einwirkt.
Wir haben im Vorliergelienden darauf aufmerksam gemacht,
dafs sich die Verbreitung der Pflanzen über die
Oberfläclie der Erde, hauptsächlich nach der Vertlieilung
der Wärme und der Feuclitigkeit richtet, und gehen jetzt
zu der Betraclituug der vielfältigen Lokalverhältnisse iiber,
welche das Vorkonnnen und die Verbreitung der Pflanzen
bald befördern bald verhindern können, weini auch Wärme
und Feuclitigkeit im liinreichenden Maafse vorhanden sind.
Diese Verhältnisse sind meistentheils solche, in welchen
die Pflanze zu dem Boden ihres Standortes steht, und die
Betraclitung dieser gehört mit zu den hauptsächlichsten
Gegenständen der Pflanzengeographie. Wir haben im Vorhergelienden
zwar gesehen, dafs gewisse Pflanzen nur bei
gewissen Graden von Wärme zu vegetiren vermögen, und
haben demnacli das Gesetz erkannt, wonach die Veibreitung
der Pflanzen liauptsäcidich statt findet, doch zur Erklärung
dieser Gesetze sind wir nicht gekommen.
Es bleibt uns gänzlich ein Rätlisel, wesfhalb der Weiiistock
z. ]}., der eine mittlere jährliche Temperatur von
10 bis 170 Geis, haben mufs, um einen guten Wein zu
liefern, wefshalb diese Pflanze nicht auch in arktisclien
Gegenden wachsen kann; oder wefshalb die Cultur des
Mays, nicht aucli in unsern nordischen Gegenden gelingen
will. Wenn man dagegen einwenden will, dafs diese
Pflanzen einmal angewiesen sind, in einer wärmeren Gegend
zu wachsen und daher in kälteren nicht ausdauern
können, so ist es wolil leicht einzusehen, dafs dieses keine
Erklärung ist; man maclit hiemit nur auf das Gesetz aufmerksam,
nach welchem die Natur jene Pflanzen vertheilt
hat. Ebenso geht es uns in der Lehre von den Lokalitäts
Verhältnissen der Pflanze; wir werden z. B. seilen,
dafs gewisse Pflanzen nur auf salzhaltigem Boden, andere
dagegen nur auf fliegendem Sande, andere nur auf Kalkfelseii
vorkonnuen; indessen weit entfernt sind wir noch
davon, um einzusehen, wefshalb diese Pflanzen nur auf
einem solchen und ni(;ht auf einem anderen Boden fortkommen
köunen. Die Cocos-Palme, welche in den Tropen
meistens nur in Küstengegenden wächst, will bei aller Sorgfalt,
mit welcher sie in unsern Gewächshäusern behandelt
wird, nicht grofs werden. Die jimgen Pflänzchen der Art
werden in den Gewächshäusern einige Fufs hoch und gehen
dann gewöhnlich ein, noch ehe die Nufs verfault ist und
die Wurzeln des jungen Pflänzcheiis durch die Fasermasse
gedrungen sind, welclie die äufsere liiille der Nufs bildet.
Man hat in unsern Gewächshäusern den Vcrsiich gemaclit
und diese Bäumclien mit Salzwasser begossen, um dadurch
den etwanigen Eiiiflufs der Meeresnähe im natürlichen
Staudorte dieser Pflanzen nachzuahmen, indessen die jungen
Cocos-Bäume sind dennoch ausgegangen.
Wenn die Pflanzen-Physiologie auch noch weit entfernt
ist, die nächsten Erscheinungen des Wachsens der
Pflanze mit gehöriger Gewifsheit zu kennen, wenn auch
selbst die wichtigsten Gegenstände In derselben, welche
scheinbar so leicht zu entscheiden wären, noch nicht mit
entschiedener Gewifsheit gelehrt werden können, so können
wir doch Folgendes, als entschieden über die Verhältnisse
vortragen, in welchen die Pflanze zu ihrem natürlichen
Standorte' steht. ,
Die gröfste Zahl der Pflanzen wächst l)ekanntrich in
der Erde; nur die parasitischen Pflanzen, eine Menge von
Cryptogamen und einige Wasserpflanzen machen hievon
Ausnahme. Fast jeder Boden, selbst der unfruchtbarste
bis auf den quarzigen Sand, hat mehr oder weniger auflösliche
Stoffe, welche, wenn dieselben fein genug sind,
mit der Feuchtigkeit des Bodens in die Pflanzen eindrin