
rung bescliräiikt ist, WIQ Z. B. der Samojedo mid der Eskimo
an den Küsten des nördlichen Eismeeres, da ist die
Cultur des Mensclien eine Unmöglichkeit; gleich den Thieren
lebt derselbe in jenen Gegenden nnd denkt nicht einmal
daran, sich über jene Geschöpfe zu erheben. Samojeden,
denen man vorwarf, dafs sie nicht besser wären,
als die Wölfe, welche ihnen di'o Rennthiere raubten, antworteten
ganz trocken, indem sie das rohe Fleiscli der
den Wölfen wieder abgejagten Rennthiere verzehrten, dafs
sie aber aucli nicht scldechter als jene Wölfe wären, denn
auch sie hinterliefsen ihren Feinden die abgeiiagten Knochen
Wie Grausen erregend ist dieser niedere Standpunkt
des Menschen! Aber Jahrtausende können vergehen
und die Menschen jener vegetationsarmen Länder werden
unserer Cultur dennoch nicht theilhaftig werden; sie müfsten
denn ihr Vaterland verlassen. Doch, auch die Samojeden
besingen ihr siifses Vaterland!
So mögen wir die hohe W^ichtigkeit erkennen, welche
das Vorhandensein einer reicheren Vegetation auf die Cultur,
ja auf den glücklichen Zustand der Völker ausübt. Aber
nicht alle Völker, welche der Cultur zugänglich sind, geniefsen
dieses Glück in gleichem Mafse ; wärend die Bewohner
der Südsee-Inseln mit leichter Mühe die herrlichen Früchte
der Pisange, des Brodbaum's und der Palmen geniefsen, müssen
die Völker des Nordens den weniger ergiebigen Boden
mit sauerem Schweifse bearbeiten, um durch die sparsame
Frucht der Cerealien ihren Lebensunterhalt zu sichern.
In einigen Gegenden der Philippinen ist der Boden im
Uebermafse fruchtbar, denn viermal werden jährlich daselbst
die Nahrungspflanzen eingeerndtet, nämlich zweimal
Reis, einmal Melonen, und einmal Mays; im höchsten
Norden von Europa ist man dagegen froh, wenn noch
eine armseelige Gerstenerndte gelingt. Auf den glücklichen
Hochebenen der Gebirge Ostindiens, wie im Thale von
Cashmere, auf einer Hoho von 5400 — 5500 Fuss, und
') S. Erman's Reise um die Erde. l.
im Thale von Napnl, auf einer IIölic von 4500 Fnfs, gc
nicsft man im Sonuuer die licrrliclien Früchte heifser Gegenden^
wärend daselbst zur Winterzeit unsere nordischen
Cerealien cultivirt werden. Ganz anders verhält sich die
Vegetation auf den Hochebenen der tropischen Cordillère;
auf den niederen Ebenen dieses Gebirges, als in dem
Tliale von Arequipa, wo die grofse und prächtige Stadt
Arequipa in einer Höhe von 7779 Fufs gelegen ist, da
verln'ndert die grofse Trockenheit der Luft eine nochmalige
Erndte, und in den gröfseren Höhen, über 12 nnd
13000 Fufs hinaus, verbietet es die Kälte des Winters,
Die Kartoffel und die Quinoa (Chenopodium Quinoa L. )
bilden dort die hauptsächlichsten Gegenstände des Ackerbaues.
Unter solchen, so höchst verschiedenartigen Verhältnissen,
welche die Ernährung der Völker bedingen,
mufs natürlich auch der ganze gesellige Zustand der Völker,
welche jene Länder bewohnen, eben so verscliiedenartig
sein.
Ich habe hier einige der contrastirenden Cxegensätze
aufgeführt, welche die Cultur der Nahrungs-Pflanzen aufzuweisen
hat; so etwas mufste am meisten auffallen, und
es konnte nicht unterbleiben, dafs der denkende Mensch
nach den Ursachen forschte, welclie, auf einer und derselben
Erde, solchen Verschiedenheiten in den Erscheinungen zum
Grunde liegen. So entstand eine Wissenschaft, welche die \
Verhältnisse untersucht, nach denen die Gewächse über |
die Oberfläche der Erde verbreitet sind, und diese Wis- \
senschaft nannte ihr Begründer, Herr Alexander von Humboldt,
die Pflanzengeographie. Mit besonderer Schnelligkeit
entwickelt sich gegenwärtig diese neue Wissenschaft,
welche viele der interessantesten Fragen über die Entste
hung und die Verbreitung der organischen Wesen auf der
Erdoberfläche zur Beantwortung bringt, wie es bis dahin
noch nicht möglich war.
Die gesammte Masse der Pflanzen - Arten steht zu
den verschiedenen Breiten der Erdoberfläche in einem gewissen
Verhältnisse; sie nimmt zu, indem man sich dem
1 ^
I -) . I