
I
254
Massen von Flediten bedeckt, Avorunter das bekannte
Renntluer-Moos, die Cenomize rangiferina, die ausgedehntesten
Rasen bildet, über welche der Weg, besonders zur
Sonnnerzeit, wenn durch anhaltenden Sonnenschein diese
Pflanzen ausgetrocknet sind, sehr bescliwerlich führt. Schon
m der vorhergehenden Zone salien wir das Auftreten von
Flechten m so grofsen Massen, wie die Ceteraria i-slandica
auf sland; wir liaben aber auch zugleich erkannt,
d.xf3 die Vegetation dieser Insel, durch das eigenthümliche
Küsten-Clnna derselben, oft so sehr herabgedrückt ist,
dafs sie ganz den Charakter der arktischen Zone anuimmt.
In den Landermassen Nordamerika's, welche dieser Zone
angehören, ist das Auftreten großer Flechtenmassen in
den Ebenen ganz gewöhnlich, und hier sind es hauptsächlich
die Gyrophoren, welclie sich bis zu den Ufern der
Polar-See erstrecken, und im Nothfalle als Nahrungsmittel
benutzt werden können.
Der grüne Rasen unserer Zone fehlt der arktischen
Zone noch nicht gänzlich, die Aira caespitosa und die
Aira flexuosa^) helfen denselben darstellen; ja das Mi-
1mm effusum überzieht in gröfster Ueppigkeit die Abhänge
der Ivusten-Berge auf den Loffoden, aber der schöL
Moos-Rasen, welcher so häufig die Laubwälder unserer
Gegenden verziert, ist hier nicht mehr zu finden, obgleich
an Moosen und Jungermannien daselbst gerade kein Mangel
herrscht. Die Polytricha sind es vorzüglich, welche
m üppigster Schönheit im nördlichsten Norwegen und
Schweden vorherrschen. ^
Die Cultur der Nahrungspflanzen erstreckt sich auf
der seandinavischen Halbinsel über die ganze arktische
Zone, wenngleich dieselbe auch nur auf sehr wenige Gegenstande
beschränkt ist. Von den Getreide-Arten wird
nach Herrn Schouw's « ) Angabe, bis 70« nördlicher Breite
W a h l e n b e r g 1. c . p . L I X .
E u r o p a p . 9 .
255
hinauf, wärend der Roggen auf der Westseite bis 64"
Breite und auf der Ostseite bis 65 und 66® hinaufgeht.
Zu Enontekis, im 60sten Grade der Breite, und in 1350
Fufs über dem Meeresspiegel, hat man noch etwas Getreidebau,
wenngleich dasselbe höchstens nur alle drei
Jahre zur Reife kommt.
Zu Ilammerfest im 71sten Grade hat man Versuche
mit dem Anbaue von Gewächsen gemacht, und nach diesen
gedeihen Kohl, Rüben, gelbe Wurzeln, Kartoffeln,
Spinat und Salat noch recht gut in dieser so bedeutenden
Breite.
An verschiedenen Stellen dieser arktischen Zone hat
man die Beobachtung gemacht, dafs eine sogenannte Alpen
Vegetation bis tief in der Ebene des Meeres erscheint,
und dieses ist auch sehr leicht erklärbar, ohne dafs man
diese Alpenflor von den Bergen herableitet. Wie wir es
in der Folge sehen werden, so entspricht erst die baumlose
Vegetation der Polarzone, der Vegetation auf den
Gipfeln der Alpen, an den Küsten der arktischen Zone
hingegen, besonders wo ein sehr unbeständiges Wetter
durch häufig herrschende nördliche Winde vorhanden ist,
da wird die Temperatur des Sommers so bedeutend niedergedrückt,
dafs dieselbe schon hier der Sommer-Temperatur
in der Polar-Zone entspricht und dafs defshalb
schon in dieser Zone eine grofse Menge von Alpenpflanzen
bis zur Ebene des Meeres hinabsteigen, wo sie neben
den Strand-Pflanzen vorkommen. So beobachtete Herr
Lessing auf der Westküste Norwegens, in der Nähe
von Kunnen, auf den Wiesen: Silene acaulis, Saxifraga
oppositifolia, Potentilla aurea, Thalictrum alpinum, Erigeron
alpinus, Gentiana nivalis, Alchemilla alpina. Arbutus
alpina, Empetrum nigrum. Astragalus alpinus, und daneben
am sandigen Meeres-Ufer die Arenaria peploides, Lotus
siliquosus, Silene maritima, Coclilearia danica u. s. w.
Die östlichsten Gegenden des alten Continents, wel-
) 1. c . p . 4 4 .
i