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Vorscheine. Cañada hat eine südlichere Breite als Paris,
und dennoch zeigt es die Temperatur von Drontheim. Dieselben
Bäume, vviilche in New-York, bei einer Breite von
Neapel, Avachsen, blühen erst mit denjenig-en zu Upsala
zu gleicher Zeit.
Die Isothermen laufen indessen niclit in geraden Linien,
sondern in Bogen. Von der Ostkiiste vVmerika's
hebt sich die Isotherme auf ihrem Laufe gegen die Westküste
von Europa; tiefer, nach dem Innern des Continentes
hin, senkt sie sich wieder nach Süden und zwar so
schnell, dafs z. B. Schottland mit Polen in einer Isothenne,
und dafs England mit Ungarn ebenfalls in einer und derselben
Isotlierme liegen. Dieses Sinken findet aber wohl
nur in der Nähe der Küsten so schnelLstatt, und zwar
wegen des schon früher nachgewiesenen grofsen Unterschiedes,
welcher zwischen Küsten- und Continental-Clima
gleicher Breiten herrscht; weiter im Innern der grofsen
Continente möchte dieses wohl nicht statt finden, sondern
wahrscheinlicli werden dort die Isothermen als gerade Linien
verlaufen, doch fehlen bis jetzt noch die Beobachtungen,
welche nötliig sind, um dieses zu beweisen.
So Avie in der alten Welt, so zeigen die Isothermen,
auch im Inneren der neuen Welt, eine und dieselbe Biegung
nach Süden. Gelien wir also im Innern der beiden
grofsen Continente nach dem Pole hinauf, so nimmt die
Temperatur daselbst um Vieles mehr ab, als auf den dazwischen
liegenden Meeren. Es ist bekannt, dafs man
seit einer langen Reihe von Jahren das arktische Eismeer
zu durchfahren versucht hat. Auf dem Wege durch die
Bherings - Strafse, wo man sich stets in der Nähe der grofsen
Continente befindet, ist man nur wenig über 70®
N.Breite vorgedrungen; auf dem Wege, entlang der amerikanischen
Küste, durch die Baffin's-Bay hindurch, ist
man nur bis 77" N. Breite gekommen, auf dem Wege
aber, im offenen Meere zwischen der alten und der neuen
Welt, gerade in den Meridianen von Norwegen und
Schweden, da fálirt man mit Leichtigkeit nach Spitzberg
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gen, woselbst man schon über 81'' N. Breite vorgedrungen
ist.
Wir werden daraus bald erkennen, dafs nicht etwa
der Pol der kälteste Punkt der Erde ist, sondern dafs es
ZAvei Kälte-Pole giebt, einen nämlich im Innern eines
jeden Continents.
Wir haben aber schon früher gesehen, dafs die mittleren
Temperaturen des ganzen Jahres keineswegs die
Vegetation so genau bedingen, wie die mittlere Temperatur
der verscliiedenen Jahreszeiten, und demnach ist es
noch wichtiger, diejenigen Orte kennen zu lernen, welche,
obgleich unter verschiedenen Breiten gelegen, dennoch
eine und dieselben Winter- oder Sommer-Temperaturen
aufzuweisen haben. Herr Alexander von Humboldt machte
auch hierauf zuerst aufmerksam; er nannte diejenigen Linien,
welche die Oerter auf der Oberfläche der Erde verbinden,
die eine gleiche mittlere Wintertemperatnr besitzen,
Isochimenen (von o %eif.uov die Kälte), und diejenigen Linien,
welche Orte von gleicher mittlerer Sommerwärme
verbinden, Isotheren (von "co d-SQog die Hitze).
Die Isochimenen biegen sich im Innern des Landes bedeutend
nach Süden; die Krümmung zeigt sich vorzüglich in
der Nähe des Atlantischen Meeres, wo die Bogen, wenn sie bei
der Küste auslaufen, eine starke Biegung nach Norden machen.
So z. B. geht die Isochimene von — Cels.
nördlich vom Nord-Cap (— 4^*62 Cels.), läuft dann ziemlich
parallel mit der Kette der scandinavischen Gebirge
nach Süden (Drontheim — 4",78), geht hierauf südlich
von Upsala (— 4",02), nördlich von Abo (— 5,38«) in
das Innere von Rufsland hinein; hier scheint sie sich,
ebenfalls schnell nach Süden zu biegen, da Petersburg
eine Wintertemperatur von 9",03 hat. Im Innern von
Amerika scheint sich die Isochimene noch weiter nach
Süden zu wenden, denn F. Sullivan, F. Howard und^F.
Snelling, sämmtlich im 45sten Grade liegend, zeigen folgende
Wintertemperaturen: — g,17, —7,23 und —8,99",
also immer tiefer, je weiter man in das Innere hineingeht.