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Mittagsliölic der Sonne nach den Polen zu abnimmt, und
eben so miifs es um so kälter werden, je melir wir uns
von der Oberfläche der Erde entfernen und in das verdünnte
Luftmeer steigen; da die Lichtabsorption (wenn
ich mich der Kürze wegen so ausdrücken darf) in der
verdünnten Luft geringer ist, also auch die Erwärmung
derselben unbedeutender wird.
Will man den Gang der periodischen Erscheinungen
der Wärme-Vertheilung kennen lernen, so wird man diesen
in tropischen Gegenden leichter erkennen, als im holien
Norden, denn dort gehen alle Veränderungen der Natur
mit gröfserer Regelmäfsigkeit vor sich.
Betrachteten wir die Erscheinung der Erwärmung der
Atmosphäre durch die Sonne im Allgemeinen, so müfste
sich eine regelmäfsige Vertheilung der Wärme von dem
Maximo in den Tropen, zu dem Minimum an den Polen
u. s. w. ergeben, doch dieses ist in der Wirklichkeit nicht
der Fall; zwei Umstände sind es hauptsächlich, welche
diese Abweichung von dem Gesetze veranlassen, die Winde
nämlich und die Hydrometeore. Nirgends kann man diesen
Einilufs der Winde deutlicher sehen, als in Gegenden,
wo halbjährliche Winde oder Monzoone herrschen; wie
an der südlichen Küste von China, gerade an der Grenze
der Tropen. Zu Canton^) und Macao, wo in den Sommermonaten
die Temperatur der Luft, selbst bei Nacht,
nur selten unter 22® Reaum. fällt; in einer Gegend, wo
Palmen wachsen, , wo die Cultur des Zuckerrohres, des
Nelumbium speciosum, der Orangen und aller schönen
Südfrüchte statt findet, wo die Bezäunung der Gärten und
Felder unmittelbar am Ufer des Flusses, durch Pisange,
Orangen, Granaten und Myrten-Hecken gebildet wird, in
dieser Gegend fällt, mit eintretendem N. O. Monzoone, die
Temperatur bis auf einen so niedrigen Grad, dafs man
S, meine Bemerkungen übex^ die elimatisclien Verhältnisse des
südlichen China's - Nova Acta Acad. Caes. L. C. V. XVIL P. IL
p. 854.
Morgens, besonders nach hellen Nächten, wo die Wärmeaiisstralilung
bedeutend gewesen ist, die Blätter der Pisange
gebräunt und welk herabliängend sieht. Doch diese
so niedere Temperatur, welche selbst die tropischen Gewächse
tödtet, hält zum Glück nur wenige Stunden an;
sobald die Sonne wieder erscheint, kehrt auch die Wärme
1)is zu 12 und 15^ R. zurück, und oft, schon bis gegen
Mittag stehen die erfrorenen Pisange in voller Pracht,
denn die gesenkten Blätter haben sich wieder gehoben
lind selbst das schöne Grün kelirt zum Theile wieder zurück=
Da dieser anhaltende Nordost-Wind eine ganz besonders
trockne Luft herbeiführt, so pflegt der Himmel zu
dieser Zeit fast beständig wolkenlos zu sein, und nächtlich,
wenn bei uns zu gleicher Zeit die tiefste Finsternifs
herrscht, wie im Monat November und December, dann
gläir/.en zu Canton die Sterne mit dem ruhigsten Lichte
luid in diesen Monaten kennt man keine Niederschläge
von wässerigten Dünsten. Das neue Psychrometer zeigt
dann gewöhnlich eine Differenz von 6 und R., eine
Erscheinung, welche man bei uns nicht kennt. Diese
Trockenheit wirkt aber auch so heftig, dafs den Menschen,
welche im Freien zu thun haben, die Haut auf allen unbedeckten
Theilen des Körpers aufspringt und das Blut
hervordringt, ganz ähnlich wie auf den Hochebenen der
Cordillere, wo man nur tief in Wolle verhüllt die Reise
gegen den Wind fortsetzen darf.
Aber die Vegetation, in jenen Gegenden von China,
zeigt jenen Einilufs des herrschenden Windes noch deutlicher;
einem Paradiese gleich, erscheint dort die üppigste
Vegetation wärend der Sommermonate, oder, wie ich lieber
sagen möchte, wärend der Zeit der Regen, Welch
eine unendliche Menge von kostbaren Blumen schmücken,
in jener schönen Zeit, die Gebüsche und die niedere Vegetation;
welch eine Menge von kostbaren Gräsern, oft
von den schönsten und seltsamsten Formen, schmücken
dann die Fluren, und Millionen von Heuschrecken und
Käfern und Baumläufern beleben diesen üppigen Teppich,