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inolus Valeraiidi und eine Menge anderer Pflanzen ist daselbst
zu finden j welche meistens den höheren Breiten
Europa^s angehören. Oder bleiben wir in Europa, so
findet man die niedlichen Primulae, die herrlichen Anemonen,
die reizenden Gentianen unserer Gegenden ^ oder
die Dryas octopetala des hohen Nordens auf den Alpen
der Schweiz, unter ganz ähnlichen Temperaturverhältnissen,
wie diejenigen unseres Landes wieder. Die Saxífraga
Hirculus Avächst in unsern Gegenden, besonders in kalten
moorreichen Waldungen unserer nördlichen Provinzen,
sie kommt aber unter ähnlichen Verhältnissen ganz allgemein
auf den Schweizer-Alpen vor. Andere Beispiele
können den Einñufs der Lokalitäts-Verhältnisse auf ein
unterbroclienes und ein ununterbrochenes Vorkommen darthuen.
Die Salsola Kali, in einem eigenthiimlichen, näheren
Verhältnisse zum Meeres-Ufer stehend, hat ein aufserordentlich
ausgedehntes und, wenigstens an den Küstengegenden
auch ein ununterbrochenes Areal u. s. w.
Der Verbreitungs-Bezirk einer Pflanze kann natürl
i c h sein und auch künstlich; im letzteren Falle ist
das Vorkommen der Pflanze, über ihre natürlichen Grenzen
hinaus, durch künstliches Verpflanzen erweitert. So
ist die Verbreitung der meisten Cul tur-Pflanzen, sowohl
der Nahrungs-Pflanzen, als auch derjenigen, welche blols
zum Vergniigen und zum Luxus der Menschen gehalten
werden, durch die Kunst erweitert,, und dieses oftmals auf
eine bewunderungswürdige Weise. Wie höchst traurig
würde es mit dem AVohlstande der Völker stehen, wenn
nicht die meisten Nahrungspflanzen einen solchen hohen
Grad von Biegsamkeit hätten. Wir wollen hier nicht einmal
der Cerealien gedenken, welche überall dahin gefolgt
sind, wo sich die Völker der alten Welt hingewendet haben,
sondern wollen nur auf den Weinstock aufmerksam
machen, dessen Verbreitungs-Bezirk sich auf eine bewunderungswürdige
Weise fast über die ganze Erde erweitert
hat. Selbst auf der Insel Java soll der Weinstock aufserordentlich
grofse Trauben zur Reife bringen, und in Neu-
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Holland scheint er sein zweites Vaterland wiedergefunden
zu haben. Wir werden die Verbreitung des Weinstockes
später ausführlicher kennen lernen.
Meistentheils ist der Verbreitungs-Bezirk vieler Pflanzen
durch künstliche Verbreitung auf eine sehr oft unterbrochene
Weise erweitert, und nur die allerwichtigsten
Nahrungspflanzen können sich einer ununterbrochenen,
künstlichen Verbreitungsweise rühmen, wie z. B. die Cerealien
und auch wohl die wichtigsten Futterkräuter. Ich
will hier noch einige Beispiele anführen, welche von einer
künstlichen Verbreitung, selbst der gewöhnlichsten Pflanzen,
am auffallendesten sind. Unsere gewöhnlichen Gartenpflanzen,
als der Salvey, der Rosmarin und die Melisse,
werden auch in Surinam gezogen. Unsere Radieschen
möchten vielleicht nirgends wohlschmeckender sein, als
eben bei Rio de Janeiro und in Ost-Indien. Unsere wohlriechenden
Nelken sind zu St. Jago de Chile eben so
schön, ja vielleicht noch aromatischer, als bei uns. Auf
den Feldern, in der Nähe von Canton, werden für den
Bedarf der Europäer fast alle unsere Gemüse gezogen,
wozu man freilich die Winterjahreszeit wählt und durch
künstliche Dächer das Erfrieren derselben, durch die Wärme-
Ausstrahlung der Erde zu verhindern sucht. Im Allgemeinen
kann man annehmen, dafs die Pflanzen nordischer
Gegenden viel weiter nach wärmeren Gegenden verpflanzt
werden können, als dieses umgekehrt der Fall ist, denn
die künstliche Verbreitung echter tropischer Pflanzen geht,
nach kälteren Gegenden, nur sehr schwer und immer nur
in geringer Ausdehnung vor sich. In den botanischen
Gärten tropischer Länder, wo man die Pflanzen des hohen
Nordens ziehen will, da werden diese mit einem leichten
Dache gegen den Einflufs der Sonnenstrahlen geschützt
und durch Verdünstung^des Wassers wird der Boden einigermafsen
kühl erhalten.
Ebenso haben wir die Gröfse des Verbreitungsbezir-
Sack's Reise nach Stirmam. 1820. 1. pag, 181.